gesellschaft

  • 2 x 3 macht 4 widdewiddewitt und drei macht neune

    Kinderbuch von 1964
    Kinderbuch von 1964

    Kinderbuch von 1952
    Kinderbuch von 1952

    Anatol Stefanowitsch über Pipi Langstrumpf. Die sagt Neger. Doch nicht (nur) an der Wortwahl stößt er sich, am ganzen Plot, der diskriminierend und menschenverachtend sei. Und kommt zum Fazit:

    Verlage könnten aufhören, sie nachzudrucken und sie könnten stattdessen neuen Autor/innen und neuen Geschichten eine Chance geben, bessere Geschichten zu schreiben. Und Konsument/innen könnten aufhören, sie ihren Kindern vorzulesen. Es ist ja nicht so, als ob eine Welt ohne Pippi Langstrumpf unvorstellbar oder eine literarische Dystopie wäre. Pippis fünfzehn Minuten Ruhm dauern jetzt schon sechzig Jahre. Schicken wir sie doch einfach in den wohlverdienten Ruhestand.

    Ein leicht vermintes Feld, ich halte die Lindgren-Bücher immer noch bestens geeignet für Kindererziehung, Neu-Übersetzungen gibt es ja schon und über die kritischen Stellen kann und sollte man mit dem Kind sprechen. Das ist überhaupt der Denkfehler in dem verlinkten Text: Dass Kinderbücher, anders als übrigens Fernsehen, nicht nur passiv konsumiert werden, sondern immer gemeinsam mit Kind.

  • undifferenzkurve

    demokratie und rechtsstaat sind anstrengend: die berichterstattung über den prozeß mit dem dessen-name-nicht-genannt-werden-darf aus oslo nervt, weil er noch mehr aufmerksamkeit nicht verdient hat. aber es ist wichtig, die verhandlung so transparent wie möglich zu gestalten, weil wir uns immer wieder unserer zivilisatorischen und rechtsstaatlichen fortschritte bewußt sein müssen. jeden tag aufs neue. transparenz wird immer wichtiger, gerade in einer sich immer mehr und selbst verkomplizierenden welt. wir haben gar keine andere wahl, sonst stehen wir irgendwann unter der knute weniger technokraten, großer wirtschaftsunternehmen oder geistloser, korrupter und anspruchsloser politiker. keine schöne vorstellung. ein gedanke beschäftigt mich seit tagen: nicht die industrie ist schuld, dass wir lebensmüttelmüll im discounter kaufen, der sozialstaat bröckelt und die gesellschaft verroht, sondern wir sind es. wir, die wir nur an uns denken und für unsere fehler immer wieder neue schuldige suchen. weil wir aufgehört haben, laut aufzuschreien, wenn wir ungerechtigkeit sehen. weil wir die lügen glauben. weil wir uns ablenken lassen, von dem glitzer. weil der kaiser doch eigentlich nackt ist. weil uns die mitmenschen egal sind, solange ihr fernseher weniger zölle hat als unserer. wir fordern grünen strom und salami im angebot beim lidl und fahren mit dem großen SUV vor. wir weinen, wenn dieter bohlen jemanden rausschmeißt, aber gehen mit eisigem blick am penner vorbei. wir sind so verlogen, dass wir es selbst nicht mehr merken. und der verlogene christian wulff war unser präsident. weil wir selbst keinen dreck bessser sind. wann werden wir merken, dass nicht ein hartz4er unser problem ist, sondern einer, der sich aus steuerspargründen in sonstwo sonnt. warum immer auf jene, die sich nicht wehren können? weil das nur menschlich allzu menschlich ist? glaube ich nicht. ich glaube, dass wir fett, faul und träge geworden sind. zeit, etwas zu ändern. gelich morgen.

  • was eigentlich hätte gesagt werden müssen

    so hässlich der grass-schnauzer auch ist: dass deutschland atom-u-boote baut und in krisengebiete liefert, dass ist schon scheiße und durch nichts zu rechtfertigen. auch nicht durch die verquere logik der bundesregierung, die der spiegel hier abgepaust hat:

    5. These: Deutschland liefert Israel U-Boote, die Sprengköpfe für einen Angriff auf Iran tragen können.
    Richtig ist, dass die Bundesregierung bislang drei U-Boote der “Dolphin”-Klasse nach Israel geliefert hat. Drei weitere sollen noch in diesem Jahr folgen. Mit den an Bord befindlichen Torpedorohren könnte die Besatzung vier atomar bestückte Marschflugkörper abfeuern. Nach Einschätzung von Militärexperten dienen die U-Boote jedoch in erster Linie der nuklearen Zweitschlag-Kapazität. Damit wäre die israelische Armee auch nach einem Atombombenangriff Irans zu einem Gegenschlag fähig. Die Bundesregierung rechtfertigt den Verkauf daher damit, dass die U-Boote der Abschreckung dienten.

    daraus eine naziheit israels herzuleiten ist falsch, aber mehr waffen in dieser region, egal an wen geliefert, bringen auch keinen dauerhaften frieden.

  • montag morgens, halb zehn in deutschland

    weil das gesundheitssystem in d. krankt und also der kinderarzt berstend voll ist, vergnügen wir uns in der gegend, um nicht im verseuchten wartezimmer zu warten. die gegend ist zufällig der prenzlauer berg, dort wo die mieten explodieren, die schwaben gentrifizieren und gören so oft pullern müssen vom grande spiced chai latte decaf. und weil der winter zu kalt ist für spielplatz mit rotzendem kleinkind (“ich bin nicht klein, ich bin grooooß!!1elf”), pilgern wir wie jeder anständige konsumist ins örtliche zenter und schlendern durch die arcaden. ganz unten gibt es einen bäcker mit möbilar. donut und käffchen, so könnte jeder montag morgen beginnen.
    um uns herum die avantgarde der rentner und vorruheständler vom prenzlauer berg. drei männer unterhalten sich angeregt über die neueste technik, einer doziert: “mit einem HD Recorder, da hast du eine festplatte und da wird der film auf die festplatte gespeichert, kannst du dann später auf dvd brennen.” andächtiges schweigen und nicken in der runde. pause. “kostet aber tausend euro.” zuckende mundwinkel.
    eine füllige rentnerin, typ wilmersdorfer witwe betritt die szene und bestellt einen riesigen berg sahnetorte, löffelt ihn und geht. ein rentnerpärchen, sie setzt sich, er bestellt und bringt die kaffee an den tisch. man wechselt kaum noch worte miteinander, man schweigt sich an, man kennt sich schon zu lange. hinter uns mittelalte frauen, gackernd, schamtzend, mit den löffeln klappernd.
    und auf einmal wird klar: hier ist keine szene, das sind anwohner, keine studenten, keine zugezogenen, die wohnen hier schon immer. und es werden immer mehr. die zukunft deutschlands trägt stützstrumpf zum tanztee und schaufelt sachertorte vorm wöchentlichen arztbesuch.

    symbolbild: deutschland (berlin-wedding, juni 2006)

  • die nahrungspyramide neu gedacht

    … und irgendwann les’ ich auch den Jonathan Safran Foer, versprochen.

  • BLÖD erkennt völlig ungeahnte ursache-würg-zusammenhänge, unglaublich.

  • dopplereffekt

    da hilft auch kein rettungsschirm: rentner in berlin (August 2008)

    schrecklich, die Bertelsmann-Stiftung meldet: Zahl der über 80-Jährigen in Brandenburg verdoppelt sich – was ist da los? die rentner verdoppeln sich und die kinder werden kleiner (zumindest die aus sozial schwachen familien).

    wir haben echt ein demographisches problem. in naher zukunft wird eine methusalem-gesellschaft von einer horde zwerge regiert – jrr tolkien, ich hör’ dir trapsen!

  • sprache lebt!?

    Symbolbild: Hauptbahnhof Leipzig - babylonisches Sprachwirrwarr

    sprachwissenschaft geht immer als thema, das wissen wir spätestens seit diesem vieldiskutiertem beitrag.

    sprache lebt. wird beeinflusst von der gesellschaft, von anderen sprachen und ihren benutzern. nichts neues also. interessant ist, dass es wendungen gibt, die auftauchen, so oft benutzt und diskutiert werden, dass sie nach ein paar jahren wieder sang- und klanglos verschwinden. eine auswahl:

    • nicht wirklich” (vor ca. 10 Jahren): offenbar eine übersetzung des englischen not really, was genau das gegenteil meint. oft diskutiert im netz und inzwischen kaum noch verwendet.
    • hastenichgesehen” (vor ca. 8 Jahren): inflationär verwendetes füllsel – nervtötend und zum glück wieder verwschwunden.
    • wie geil ist das denn? (seit ca. 5 Jahren): hört man vereinzelt noch, zum glück nicht mehr so oft wie damals, das war nicht schön. kam auch mit so einer putziger betonung und variationen des wörtchens geil, manchmal auch mit einem nachgeschobenen “bitte?!

    Kennt Ihr noch mehr davon?

  • vom beschämten bundestag

    nach einem jahrzehnt braunem terror nun endlich einigkeit im bundestag: man ist gegen nazis und nazis morde. das ist löblich. man schäme sich gegenüber den opfern, dass die aufklärung so lange dauerte. man verlangt bedingungslose aufklärung. ein npd-verbot ist wieder im gespräch. wahnsinn. politiker und medien sind immer so gleichgeschaltet, wenn es um den braunen mob geht.

    eine braune terrorzelle? - sept 2008

    dabei wird gerne übersehen, dass morde und terror und brennende asylantenheime zwar unglaublich traurig und ungerecht und krank sind, aber lediglich die spitze eines eisbergs. es ist die ideologie, stupid. einem hassprediger wie sarrazin kann man zwar nicht einen mord anhängen, aber dass er seinen beitrag geleistet hat, den hass in teilen der gesellschaft zu schüren, das möchte man gar nicht abstreiten.

    ich bin in sachsen aufgewachsen, da gab es immer schon nazis, in jedem dorf gibt es die. man sieht sie, man kann sie erkennen. nicht gerade harmlos, aber man lebt miteinander. nebeneinander. parallelgesellschaft quasi. und es gibt jene, die sich selbt nie als nazis bezeichnen würden, aber eigentlich welche sind.

    wie immer gilt: eier auf beim augenkauf, auch mal das maul aufmachen, wenn mal wieder einer herzieht über ausländer oder migranten oder gutmenschen. demokrat und mensch sein. nicht nur so tun.