nachdenkliches

In meiner Kehle wohnt ein Tier, das frißt die klugen Worte auf
Die ich mir beigebogen hab für einen lieben langen Tag
Was soll ich sagen, wenn da keine Worte sind
Manchmal wüßt ich gern, wer ich wirklich bin
[eoc]

vor ein paar jahren leistete ich mir einen klugen diskurs mit einem hobbypsychologen per mail*. ich traf ihn auf arbeit, bei einem job, über den ich hier besser nicht reden will**. wir schrieben über den job als solchen und im allgemeinen, über menschliche psyche und so kram. blabla halt. irgendwann kam er dann auf den trichter, mich analysieren zu müssen und so erhielt ich eine antwort, die mich (erstens) nachdenklich stimmte und die ich (zweitens) ganz schnell vergaß und (drittens) jetzt wieder ausgegraben hab’. ein paar zitate will ich jetzt veröffentlichen, weil es (erstens) so schön formuliert und (zweitens) so zutreffend und (drittens) so ein schmarrn ist…

schon die einleitung war grandios:

Ich teile deine Selbsteinschätzung. Ich meine es jedoch nicht ironisch, sondern sehr wohl unironisch. Du bist ein Opportunist nicht aus Niederträchtigkeit, sondern vielmehr aus Unsicherheit. Bei dir besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die du versuchst mit der koketten Selbstbezichtigung des Opportunismus zu kaschieren.

chapeau! der geneigte leser wird ein muster erkennen und des autors wirklichkeit und substrat auch auf dieser seite gespiegelt wieder finden. doch lauschen wir dem fachmann noch ein paar zeilen weiter:

Ich kann auf jeder Ebene mit dir kommunizieren. Ich lehne deine “proletarische” Ebene von meiner “wohl situierten gutbürgerlichen” Ebene nicht ab. Du bist weder proletarisch noch bin ich wohl situiert und gutbürgerlich. Das ist ein Machtspiel. Du versuchst dich über mich zu erheben, indem du dich erniedrigst und mich erhöhst. Soll ich darauf noch weiter eingehen? Besser nicht!

ja, warum eigentlich nicht? dieser, meiner kunstgriff war nötig, um genau das zu erreichen. ich mag das spiel mit geschichtsschwangeren begrifflichkeiten und vorurteilen. und selbst-erniedrigung ist eigentlich ganz schick. doch es wird noch besser:

Deine vermeintliche Fehldeutung von Akkumulation ist aufschlussreich. Das ist wieder ein Machtspiel. Du versuchst dich über mich zu erheben, indem du mir einen Knochen zuwirfst, an dem ich knabbern darf. Du versucht dich über mich zu erheben, indem du dich in die Rolle des Schülers begibst und mir die Rolle des Lehrers zuweist. Ich danke dir für diese Ehre (Ironie). Das Spiel, welches du spielst ist sehr polemisch und aggressiv. Deine Gefühle sind wahr und richtig – die Projektion jedoch unwahr und destruktiv.

hier irrte ich mich und wollte marx bringen, ging wohl schief. projektion war im übrigen garnicht geplant.

Du bezeichnest deine Sozialisation als post-faschistoid und quasidemokratisch. Du meinst sicher pseudodemokratisch. Ich kann deine Gefühle, die du mit post-faschistoid bezeichnest nachvollziehen und ich stimme dir inhaltlich, sachlich gänzlich zu. Meine Anmerkungen sind rein sprachlicher Natur. Es ist ein repressives und diktatorisches System gewesen. Das ändert nichts an deinen Gefühlen, das verstehe ich auch. Du befindest dich in einer Ambivalenz zu deiner Sozialisation, die dir Unbehagen bereitet. Du hast Machtstrukturen und viele Aggressionen verinnerlich, die aus deiner Sozialisation resultieren. Die Machtstrukturen waren eine Notwehr und eine Überlebensstrategie. Das Problem besteht in dem Konflikt der verinnerlichten Machtstrukturen und Aggressionen die ihre ursprüngliche Grundlage verloren haben.

und hier irrt der meister. hab ihm geschrieben, in der ddr aufgewachsen zu sein und darunter gelitten zu haben. mitnichten! ich war acht beim mauerfall und hab’ rein garnichts kapiert. insofern nervt seine einschätzung an dieser stelle. der letzte satz allerdings macht mir bis heute kopfzerbrechen:

Du hast bei mir nicht im Geringsten eine Verwirrung gestiftet. Im Gegenteil, du bist für mich ein offenes Buch. Ich kann in dir lesen wie in einem Buch, auch wenn es dir nicht schmeichelt.

so denn. wie auch immer. habe nie geantwortet. vielleicht sollte ich? bin ich denn wirklich so durchschaubar?


* damals™ formulierte man schöne sätze in mails, suchte nach begriffen und nahm sich zeit. wie noch früher™ in handgeschriebenen briefen. die zeiten sind nun vorbei und die ICQ-isierung der kommunikation schreitet unaufhaltsam voran. lolroflomg…

** kommt aber sicher noch.

[ Badisches Wiegenlied ]

Schlaf mein Kind schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.
Deinen Vater hat er umgebracht,
deine Mutter hat er arm gemacht.
Und wer nicht schläft in guter Ruh,
dem drückt der Preuß die Augen zu.
Schlaf mein Kind schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.

Schlaf mein Kind schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.
Der Preuß hat eine blutge Hand,
die streckt er übers badische Land.
Und alle müssen stille sein,
als wie dein Vater unterm Stein.
Schlaf mein Kind schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.

Schlaf mein Kind schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.
Zu Rastatt auf der Schanz
da spielt er auf zum Tanz.
Da spielt er auf mit Pulver und Blei,
so macht er alle Badener frei.
Schlaf mein Kind schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.

Schlaf mein Kind schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß
Gott aber weiß wie lang er geht,
bis daß die Freiheit aufersteht.
Und wo dein Vater liegt, mein Schatz,
da hat noch mancher Preuße Platz!
Schrei ´s, mein Kindlein schrei ´s,
dort draußen liegt der Preuß!

[ Text: Ludwig Pfau ]
[ Entstanden nach der militärischen Niederschlagung der 1848/49-Revolution durch preußische Truppen. ]
[ link ]

an meine lieben berliner

seit anfang märz einzelne aufstände, seit zwei wochen nun auch in berlin. der revolutionäre geist italiens und frankreichs weht durch die stadt. in österreich haben sie schon ihren kanzler gestürzt. die bevölkerung in der hauptstadt hält den atmen an. morgen soll es losgehen, einzelne gruppen bereiten sich vor. es wird blutig werden. es wird tote geben. barrikaden werden brennen. das alles nimmt man in kauf, für die sache. ja, welche eigentlich? mehr demokratie wagen vielleicht. oder überhaupt mal damit anfangen.

heute abend ausführlich diskutieren. oder mal wieder bei wiki schauen.

Achtzehnhundert vierzig und acht,
Als du dich lange genug bedacht,
Mutter Germania, glücklich verpreußte,
Waren es nicht Proletarierfäuste,
Die sich ans Werk der Befreiung gemacht
Achtzehnhundert vierzig und acht?

[Georg Herwegh]

lust auf rollenspiele?

ist schon eine weile her, aber immerhin hab ich auch mal rollengespielt. mit papier und stift, komischen würfeln und einer bande verrückter. einer machte den spielleiter und wir staksten durch die von ihm erschaffene welt. ohne spielbrett und figuren, alles spielt sich im kopf, in der phantasie ab. gekämpft wird per ausgefeiltem würfelsystem. und weil irgendwer immer verdienen will, gibts regelbücher und ganze welten im laden zu kaufen. oder man guckt ins internet. heute entdeckt in den rabenwelten:

Shadowrun | Brennpunkt: Wedding. eine ausführliche beschreibung der welt und natürlich angelehnt an reale begebenheiten. lesenswert auch für leute, denen rollenspiele so ziemlich egal sind. angesiedelt ist es in der nahen zukunft.

Die Bewohner des Wedding sind zum ganz überwiegenden Teil der Unterschicht zugehörig. Seit den Eurokriegen entfällt der größte Teil des überaus hohen Ausländeranteils auf Flüchtlinge aus dem osteuropäischen Raum (vor allem Polen, Tschechen, Litauer und Russen). Auch der Anteil der Metamenschen ist im Wedding deutlich höher als in anderen Bezirken, wobei Orks die größte lokale Gruppe innerhalb der “Metas” bilden.

Entsprechend stellt sich auch die Kiez- und Policlub-Szene des Bezirkes dar: Ganze Kieze sind mehr oder weniger strikt nach Nationalitäten bzw. Rassenzugehörigkeiten unterteilt. Reibereien sind an der Tagesordnung. Größere Ausschreitungen sind hingegen eher selten.

>> die ganze geschichte mit interessanten skizzen <<

there will be oil, lot of oil…

komischerweise dachte ich die ganze zeit, das wär’ ein western. ist es aber garnicht. es geht um öl. dauernd sind alle mit dem klebrigen zeugs beschmiert, es spritzt aus der erde oder es brennt. so einen dreckigen film hab ich lange nicht mehr gesehen. irgendwie gehts wohl auch um familie, religion und vertrauen. aber das ist nicht so wichtig. nicht mal besonders patriotisch oder amerikanisch ist er. was ihn natürlich umso besser macht. er moralisiert nicht am ende, es gibt keine gewinner. und auch keine politischen aussagen. es ist ein großer hollywoodschinken, der sich unnötig in die länge zieht. auf einer großen leinwand ist das ein genuss. auf dvd aber vermutlich tierisch langweilig. die zwei oscars hat er sich verdient. und ganz nebenbei ist es auch ein lehrfilm für die baustellenverordnung. also hingehen und noch was lernen!