Schlagwort: europa

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„Es wird sich bald entscheiden müssen, welcher Typus Europäer die Zukunft bestimmt: der universale Europäer oder der eindimensionale Europäer. Das heißt aber auch: ob auf diesem Kontinent in Zukunft Menschenrecht oder wieder Faustrecht herrscht.“

~ Robert Menasse ~

geschichten aus einer viel zu großen stadt pt. 26

sie wohnte hier, seit sie fünf war. mit ihren unzähligen geschwistern, von denen einige früh starben. ihre stille mutter, ihr schreiender vater, der geruch von bohnerwachs im treppenhaus, der gestank von kohle und siedendem bratfett, die nahen detonationen im krieg, die armut, die den leuten ins gesicht gezeichnet war, der hunger der dürren jahre, die arbeit, die langen stunden der einsamkeit im alter. 20140525_171634 behände troff das blut in den rillen des fliesentischs. es wird regen geben, sagte der jugendliche gewalttäter zu seinem kumpanen, der nur nickte. beide starrten sie auf ihr jüngstes werk, einem raubüberfall mit bitterem ende. bitter vor allem für die anwohnerin, die sie antrafen bei ihrem einbruch in der angeblich leeren wohnung. die ist nie zuhause, geht immer einkaufen und rollt durch die gegend, hatte es geheißen. aber nein, sie mussten ja immer pech haben. erst die sache mit den mädels und nun das, der tag konnte kaum schlimmer werden. lass ma‘ gehen. und sie gingen. 20140412_141614 die leiche blutete noch lange, der teppich der rentnerin, den sie sich vor langer zeit mit ihrem längst verstorbenen geleistet hatte, saugte sich mit blut und anderen flüssigkeiten voll und so ergab sich ein nettes muster. asymetrisch zwar, aber dennoch nett anzusehen, wie der junge assistent von der spurensicherung ein paar tage später fand. es war seine erste woche und sein dritter mord, kein schlechter schnitt. den würgreiz allerdings hatte er noch nicht so recht im griff, die kollegen schielten hämisch grinsend immer wieder zu ihm. 20140521_121638-001 nach einer woche brachen polnische handwerker das polizeisiegel und räumten alles aus, schafften brauchbares in ihren transporter, unbrauchbares in einen container. nach einem tag waren sie fertig, gönnten sich was zu trinken und schliefen in der wohnung. ein paar tage lang krachte und polterte es, die nachbarn beschwerten sich. noch ein paar tage und die wohnung war renoviert, die handwerker verschwanden und es tauchten makler mit schönen menschen auf. man lobte sich und den schnitt, die sozialstruktur der gegend und vor allem die schulen. 20140504_130541 ein umzugsauto hielt, der typische pritschenwagen. jungmenschen sprangen ambitioniert herum und trugen allerlei sachen in die wohnung. man baute noch bis in die nacht möbel auf und stieß an auf ein neues leben. es wurde laut, die nachbarn klingelten und bekamen ein bier in die hand gedrückt. man verstand sich, das sozialmilieu passte. 20140510_163244 nach ein paar jahren zerfiel das junge glück und man ging getrennter wege nicht ohne nächtelanger lautstarker streitereien. mitbewohner kamen und blieben und gingen. junge südeuropäer, lateinamerikaner, franzosen, bayern, hessen. monatlich wechselten die kulinarischen ansprüche, die durch den hausflur waberten. fremde klänge ließen die wände des altbaus erzittern und erboste briefe an die hausverwaltung wurden formuliert. 20140525_164325 niemand errinerte sich an den hinterhältigen mord von einst, er wurde nie aufgeklärt. heute wohnen da ganz andere, die nachbarn sind längst weiter gezogen, nur das haus, die wände und das treppenhaus kennen die geschichte. aber sie schweigen.

pixelroiber rezensiert wahlplakate #11

europawahlkampf und volksentscheid übers tempelhofer feld am gruseligsten finde ich immer noch die grammatik auf den spd-plakaten. wunderlich ist auch, dass deutsche parteien vorwiegend mit personal werben, das gar nicht ins europa-parlament gewählt wird (merkel, gauweiler, u.a.). zu allem überfluss gibt es außerdem noch einen volksentscheid über tempelhof, über zwei gesetzesvorlagen dürfen wir abstimmen: tempelhof so lassen oder tempelhof ein bisschen bebauen. man kann auch beiden zustimmen oder beide ablehnen. über meinen entwurf von 2008 hat man gar nicht erst nachgedacht. pah! europa ist wichtig, also bitte wählen gehen, bei aller (teilweiser) berechtigter kritik! denn was die euroskeptiker gern verschweigen: allesamt wünschen sie sich den starken nationalstaat des 19. jahrhunderts zurück, der uns direkt zwei weltkriege bescherrt hat. ich führe das bei bedarf gerne noch aus, muss aber erstmal über tempelhof nachdenken.

die welt kann mich nicht mehr verstehen

bank am alexanderplatz, mai 2009 ich habe keine ahnung. ich habe es versucht, die finanzkrise und die bankenkrise und die eurokrise und die schuldenkrise zu verstehen. ich bin gescheitert. dass die schulden eines staates etwas anderes bedeuten als private schulden – klar. dass staaten doch zahlungsunfähig werden können – ok. dass solvente staaten weniger zahlungskräftigen in der not helfen – logisch. zumal in einem gemeinsamen wirtschafts- und währungsraum – das leuchtet ein. dass aber die staaten bei banken und anderen staaten kredite aufnehmen, die wiederum selbst bei anderen banken staaten und kredite aufnehmen, die selbst schulden haben bei anderen banken und staaten… – das ist ja nur kompliziert, nicht unbedingt unlogisch. man bemüht sich ja, mir das zu erklären, hiermit zum beispiel: [youtube dEOr0jhB5zo] [youtube RRUd0Dg5kh4] so weit so gut, nur was sind die schlüsse aus den neu gewonnenen erkenntnissen? austritt aus europa? zurück zur d-mark? leider sind deutsche medien da nicht sehr ausgewogen, meint robert misik, entsprechend die reaktionen in der ausländischen presse. nur hilft uns das kein bisschen weiter.

Gefühlte Politik #2

Bankenkrise im Schillerpark, Juli 2006 die bankenkrise, dieses abstrakte ding, die inzwischen alle welt in ihren schmierigen fingern hält, diese bankenkrise also stürzt uns ins verderben? was noch vor ein paar jahren systemrelevant war, ist nun system selbst? das geht sogar soweit, dass man schimpft mit greiechenland, weil sie die demokratie wieder einführen wollen (immerhin haben sie die ja erfunden…)? sie ist pervers geworden, die nachrichtenlage. beziehungsweise fällt nun so manches kartenhaus ein, was in den vergangenen jahrzehenten aufgebaut wurde. die dominanz der westlichen welt bröckelt. nur verschwindet sie nicht, sondern es wird sich gewehrt und gestrampelt und gekämpft, bis auch die letzte bürgschaft, der letzte hebel, der letzte regenschirm aus der zauberkiste der finanzinstrumente gezaubert wurde. doch all‘ diese worthülsen bringen maximal aufschub, nicht heilung. Bankenkrise im Dresdner Alaunpark im Mai 2008 vergleiche mit der weimarer republik machen die runde, ich wäre da vorsichtig. zumal die wirtschaftskrise damals gleich durchschlug auf die realwirtschaft – das ist ja heutzutage nicht der fall. noch nicht. und es gibt keine kriselnde demokratie. eher gibt es eine große verschwurbelte blase aus angeblichen parteien, die aber inzwischen dasselbe wollen und kaum noch zu unterscheiden sind. wahrscheinlich wirds eine große koalition mit steinmerkelmeier. mit mindestlohn, finanztransaktionssteuer und ohne atomkraft. Bankenkrise im Berliner Wedding, Januar 2009 doch viel ändern wird es nichts, und dass ist auch der kern der occupy-geschichte (dazu bitte hier lesen) – es reicht vielen, so kann es nicht mehr weiter gehen. dass politik im hinterzimmer passiert, die bankenwirtschaft unverständlich, ausufernd und nahezu ohne kontrolle stattfindet. gerade jetzt ist es wichtig, mehr demokratie zu fordern, statt Papandreou auszulächeln.

Tatort: Der illegale Tod (2011) – Lürsen & Stedefreund

frau lürsens tochter ist nun ihre chefin, stedefreund trinkt zuviel und kann sich an nichts erinnern, die wasserpolizisten vertuschen einen zusammenstoß mit flüchtlingen im mittelmeer, eine frau verliert dabei mann und tochter und will sich (scheinbar) an den verantwortlichen rächen. ein tatort mit großen aktuellen themen, vielen dramatischen bildern und keiner lösung am ende. aber spannend und dicht erzählt. komisch nur, dass anne will lieber über griechenland und den euro reden wollte statt über die brachiale einwanderungspolitik der EU. +++ LINK +++ Erstausstrahlung: 15.05.2011 [xrr rating=6.25/7]

warum subventionen abgeschafft gehören

jetzt mal ganz langsam, das waren ein bisschen viel informationen auf einmal. die EU will klagen gegen deutschland, weil die liste der agrarsubventionen nicht vollständig ist. die wiederum ist nun veröffentlicht, da fehlen aber die gelder, die bayerische betriebe empfangen haben. warum die sich sperren, kann ich gar nicht so recht sagen. womöglich stehen die gründe in der rede des Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Helmut Brunner im Bayerischen Landtag am 27. Mai 2009. die will ich mir aber gerade nicht antun. immerhin erfahren wir auf seiner seite, was analogkäse eigentlich ist. das bringt uns aber nicht weiter. viel wichtiger ist das anliegen, agrarsubvention ganz abzuschaffen. an dieser stelle steht, warum das konkret beim thema milch totaler irrsinn ist und sofort gestoppt werden muss:
Weltweit fallen die Milchpreise ins Bodenlose. Hunderttausende Milchbauern stehen vor dem Aus – bei uns und in den Ländern des Südens. Mit Exportsubventionen liefern sich EU und USA einen Dumping-Wettlauf um Weltmarktanteile. Jetzt will Ilse Aigner die Subventionen auch noch erhöhen! (quelle)
überhaupt, subventionen! gehören abgeschafft, kann man doch nachlesen in jedem vwl-buch, dass es da nur verlierer gibt und ganz wenige gewinner (meist die falschen). ich empfehle zum einstieg den eher kritischen wikipedia-eintrag. wäre es nicht so bitter, dann wäre es vermutlich witzig: der hauptnutznießer der EU-gelder, der zuckerkonzern südzucker schreibt aktuell auf seiner homepage:
Das langfristig angelegte Geschäftsmodell des Südzucker-Konzerns hat auch in Phasen struktureller Umbrüche und konjunktureller Schwäche insgesamt Stärke bewiesen. […] Der Zuwachs des operativen Ergebnisses stammt im Wesentlichen aus dem Segment Zucker. […] Das Ergebnis je Aktie […] beinhaltet auch den Einmaleffekt aus der EU-Umstrukturierungsbeihilfe im Zuge der Zucker-Quotenrückgabe der zweiten Welle im März 2008.
das muss man sich mal auf der zunge zergehen lassen. und auch wenn ich mir jetzt den vorwurf der polemik anhören muss: unsere steuergelder fließen im wesentlichen an große konzerne, die weder auf nachhaltige landwirtschaft noch auf sonst irgendwas ökologisches setzen. im gegenteil, der größte gewinner ist ein zuckerkonzern. und zucker sollte wirklich nicht mehr gefördert werden. zu diesem thema bitte hier entlang.

gurxmurx der woche

ganz eigentlich wollte ich was über döner schreiben. der hauptstädtische fleischfladen geht immer. aber die hölzernen kollegen waren wieder schneller. schon länger hat berlins tagesspiegeligstes internetdings eine kommentarfunktion unter den artikeln. und das ist nicht gut so. denn menschen haben die schlechte angewohnheit, kommunizieren zu wollen. und auch und gerade und überhaupt im internet. was da tagtäglich an müll aufläuft, übersteigt sogar den müll, den die verzapfen, die dafür bezahlt werden. und dabei war ich heute noch garnicht im heise-forum! es könnte also passieren, dass uns das internet doch irgendwann verblödet. aber das merken wir ja dann nicht mehr, sondern kommentieren es nur achselzuckend mit „Danke für den Hinweiss , aber ich wußte das bereits – aber darum geht es mir auch nicht.“

heute kinder, wirds was geben

bald haben wir es geschafft. nur noch ein paar stunden und dann ist wieder ruhe im land. kein hysterisches gequietsche mehr von frauen, die sich sonst nie für fussi interessieren. die fahnen verschwinden höchstwahrscheinlich schnell wieder im keller und das land versumpft im sommerloch. hoffentlich. und sowas müssen wir auch nicht mehr ertragen:

hüpfen und lachen!

wenn man nachrichten verfolgt, könnte man meinen, die welt steht jeden tag vor dem abgrund. die natur bedroht die menschen mit erdbeben, überschmemmungen und dürren. und als wär das nicht genug, schlagen sich die menschen auch noch die köppe ein. dann kommt der „westen“ und macht komische sachen: die bundesregierung kämpft in afghanistan um ein bisschen frieden, die usa vergelblich im irak, europa schickt eurocops nach palästina undsoweiter… wie viel angenehmer wäre das leben auf dieser welt, wenn wir einfach mal ein bisschen hüpfen würden. grundlos. einfach so. wie matt harding in seinen videos: [youtube zlfKdbWwruY] (via) …oder lachen wie john cleese

pft!

warum sagt mir eigentlich niemand, dass fußballfans so stilsicher stadionhymnen auswählen? wird zeit, dass ich mich auch mal für fußball interessen soll: [youtube ksYcqdJef1o] gefunden bei RE, dort auch mit hintergrund. und jetzt schluß mit fähnchen abknicken und pseudo-intellektuellem desinteresse. eine wm im eigenen land hat man schließlich nicht oft.

euroball

ich habe ja wenig ahnung und eigentlich interessiert mich das alles auch nicht besonders. aber nur fürs protokoll: ich hab tschechien als europameister getippt. nicht, dass hinterher noch einer kommt und sagt, ich klugscheiße wieder rum. und noch was: wieso ist eigentlich rußland beim fussball plötzlich europa? ach, ich versteh‘ das alles nicht.

lasst uns mal reden. über arbeit. pt.1

in den nächsten wochen werden wir uns mit einem wichtigen thema beschäftigen: arbeit. vergangenheit, gegenwart und zukunft der arbeit werden wir beleuchten, alternativen aufzeigen und nach hintergünden forschen. eigentlich wollte ich schon anfang des jahres damit anfangen, aber es kam soviel arbeit dazwischen, deswegen jetzt erst. den anfang macht eine kleine buchbesprechung über arbeit anderswo:
ich habe es verschlungen. es ist weder komisch, auch keine liebesgeschichte, und um kultur gehts auch nicht. es geht ums überleben. die handlung ist schnell erzählt: eine handvoll osteuropäer (und ein afrikaner) machen sich auf den weg nach england um geld zu verdienen. weil es da besser bezahlte jobs gibt. doch schnell merken sie, dass die bessere bezahlung durch reichlich abzüge und windige chefs zusammendampft und die jobs knochenarbeit sind. sie merken schnell, dass sie verheizt werden, das große geld machen andere. es geht um arbeit, die protagonisten sind hochmotiviert und wollen geld verdienen. nicht illegal, sondern durch ehrliche, harte arbeit. dafür sind sie bereit, jeden noch so miesen job anzunehmen. die miesen „personalvermittler“ (aka menschenhändler) nutzen deren situation aus und sind neben den arbeitgebern die profiteure. nicht jedoch die arbeiter. lösungsansätze bietet das buch nicht, dafür ist es viel zu sehr roman. einmal tritt ein gewerkschafter auf, doch dessen anliegen versteht keiner und er verschwindet ungesehen eine seite weiter. marina lewycka ist eine lesenswerte beschreibung gelungen. eine beschreibung der sehnsüchte, der hoffnung und der verbitterung. und fährt man im zug oder im bus nach osten oder kommt von dort, dann sieht man sie: die modernen wanderarbeiter, die frauen, die männer. sie arbeiten in ganz westeuropa, teilweise illegal. weil es da jobs gibt, weil da das große geld lockt. arbeitskraft ist schon immer dorthin gegangen, wo arbeit ist, keine frage. die globalisierung und die öffnung des arbeitsmarkts waren da nur katalysatoren. doch zu welchem preis? es leiden die familien und die arbeiter selbst. ein erster lösungsansatz wäre sicher, die arbeitsbedingungen zu verbessern und die bisher illegalen beschäftigungsverhältnisse zu legalisieren. also eine ausweiterung der arbeitnehmerfreizügigkeit. das würde die arbeit zwar verteuern und damit die produkte. doch letztendlich liegt es auch an uns verbrauchern, die immer billig einkaufen müssen. meinungen dazu?

an meine lieben berliner

seit anfang märz einzelne aufstände, seit zwei wochen nun auch in berlin. der revolutionäre geist italiens und frankreichs weht durch die stadt. in österreich haben sie schon ihren kanzler gestürzt. die bevölkerung in der hauptstadt hält den atmen an. morgen soll es losgehen, einzelne gruppen bereiten sich vor. es wird blutig werden. es wird tote geben. barrikaden werden brennen. das alles nimmt man in kauf, für die sache. ja, welche eigentlich? mehr demokratie wagen vielleicht. oder überhaupt mal damit anfangen. heute abend ausführlich diskutieren. oder mal wieder bei wiki schauen.
Achtzehnhundert vierzig und acht, Als du dich lange genug bedacht, Mutter Germania, glücklich verpreußte, Waren es nicht Proletarierfäuste, Die sich ans Werk der Befreiung gemacht Achtzehnhundert vierzig und acht?
[Georg Herwegh]