gesellschaft

  • warum bauen wir dieselmotoren nicht in airberlin-flugzeuge?

    dieser tage will wieder ein privatwirtschaftliches unternehmen (airberlin) vor einer drohenden pleite gerettet werden. es ist wahlkampf, die volksparteien überschlagen sich mit zusagen, krediten und versicherungen, dass es auf jeden fall weiter geht. so nachvollziebar und verständlich das ist, insbesondere für die angestellten und den wirtschaftsstandort berlin.

    vielleicht ist das aber auch eine auswirkung des strukturwandels. folgend ein paar vermutungen, für belastbares müsste man sich mal fahrgastzahlen, geschäftsberichte und dergleichen anschauen.

    • es gibt offenbar zu viel kapazität und zu wenige kunden für billigflieger, sodass sich gerade der markt bereinigt
    • fluggesellschaften können aufgrund langer vorlaufzeiten in der planung schlecht auf änderung der nachfrage reagieren
    • den trend zu immer billiger auf kosten des komforts machen längst nicht mehr alle kunden mit

    wieauchimmer, am ärgerlichsten ist, dass flugzeuge steuerfrei tanken, also jeder flug subventioniert wird von den steuerzahlern, flughäfen sicher auch in der ein oder anderen form. da dies bei der bahn ebenso der fall ist, hinkt der vergleich und könnte nur in absoluten zahlen quantifiziert werden. das soll hier gar nicht thema sein.

    gleichzeitig wanken deutsche autohersteller, weil sie zu lange auf verbrenner statt strom gesetzt haben, die politik hat dies ebenfalls gefördert und elektromobilität jahrelang nicht thematisiert. das mitleid mit der deutschen autoindustrie hält sich in grenzen. hier ist der strukturwandel sichtbarer, es geht ein gespenst um in der westlichen welt: dispruption.

    in diesem zusammenhang sei auch auf die debatte um verkehrsraum in den städten hingewiesen. gibt es ein recht auf einen parkplatz vor der tür, brauchen wir mehr raum für autos oder fahrräder, wollen wir die autostadt der sechziger/siebziger weiter ausbauen oder lieber zurückbauen?

    es geht mir um die frage, wie und nach welchen kriterien der staat in die freie wirtschaft eingreift und somit bestimmte entwicklungen fördert und andere im keim erstickt. wann haben wir uns als gesellschaft darauf verständigt, dass wir inlands lieber fliegen oder autofahren als die bahn zu nehmen – gibt es darüber eine debatte?

    das schöne ist, dass wir die mittel hätten, eine vernünftige und umweltgerechte verkehrspolitik zu betreiben. das traurige ist, dass offenbar mut und willen fehlt und so haben wir von allem etwas, die infrastruktur ist marode, die straßen sind mit güterverkehr voll, kurze distanzen werden geflogen, bei der bahn fallen klimanalagen aus.

  • verschont mich mit eurem glauben

    sie feiern sich jetzt selbst dieses jahr. 500 jahre reformation, 500 jahre frieden und nächstenliebe (hahaha!) im namen allahs luthers jesus’. ach gottchen. derweil bomben sich die gottestaatler durch europa im namen ihres gottes. in amerika glauben sie an eine junge (und wahlweise flache) erde, mancherorts wird noch ausgepeitscht. und wenn mal jemand zu versöhnen sucht, ist es auch wieder nicht recht. meiner meinung nach kann jeder glauben, was er will und heiraten, wen er will. aber bitte verschont mich damit. religion sollte privatsache bleiben. auch sollte der staat aufhören, die kirchen zu subventionieren (neben kirchensteuer). und bitte kommt mir jetzt nicht mit dem pösen islam. es liegt an den fanatikern und nicht an der religion. und fanatiker gibt es überall zu viele.

    (update von dem hier, Januar 2010)


    B O N U S T R A C K:

    vor jahren (August 2008) haben sie plasteluthers in wittenberg aufgestellt (Konzeptkünstlers Ottmar Hörl wars) und sie dann für 250,- € pro stück vertickt:

  • Ein Kinderarzt im Interview übers Impfen

    “Die Leute haben den Respekt vor den Krankheiten verloren, weil sie so selten auftreten. Haben Sie mal ein Kind gesehen, das mit Neurodermitis Windpocken bekommen hat? Sie können sich nicht vorstellen, wie so eine Haut aussieht. Das Kind wird nicht daran sterben, aber ich verlange Respekt davor, wie sehr es darunter leidet. Am Ende bleibt eine Frage: Traue ich der Ständigen Impfkommission STIKO, die Impfungen empfiehlt – oder nicht. Mangelndes Vertrauen und Desinformationen verunsichern die Eltern.”

    Das komplette Interview hier, das Blog des Arztes hier.

  • alles wie immer anders #1

    Schlecht gelaunt löffelte und kaute Frau Brettschneider an ihrem Müsli, starrte dabei auf ihren Bildschirm, legte den Löffel in die Schale und schob ihre Maus herum, klickte hier und da, löffelte wieder, kaute. Es war ein verregnter Tag im frühen November, den ganzen Vormittag schon hatte sie schlechte Laune. Das Müsli war zu bitter, der Joghurt nicht mehr ganz frisch und die verschrumpelten Apfelstückchen machten alles nur noch schlimmer. Wieder Mausbewegungen, Klicken. Ihr gegenüber saß Herr Müller, wie jeden Tag ärgerte er sich über ihre Essgeräusche. Er hasste das, konnte sich nicht konzentrieren, ihr schmatzendes Kauen machte ihn aggresiv. Er starrte auf seine Tabellen, es verschwamm alles vor seinen Augen, an Arbeiten war gerade nicht zu denken. In diesen Situationen malte er sich aus, wie er über den Schreibtisch springt und sie in einem Anflug roher Gewalt zum Schweigen bringt. Es würde ganz schnell gehen, vielleicht mit der Schere, die auf seinem Schreibtisch liegt. Eine einzige Bewegung und ratsch. Dann Schreie, Blut, hereinstürzende Kollegen, das ganze Programm. Aber vielleicht hätte er dann seine Ruhe. Unmerklich schüttelte er sich, verwarf den Gedanken und versuchte sich erneut zu konzentrieren. Schmatzen, Klicken. Löffel trifft Schale. Seufzen, Ausatmen. Frau Brettschneider schob sich mit ihrem rollenden Bürostuhl geräuschvoll vom Schreibtisch weg, stand auf und brachte die Schale mitsamt Löffel in die Küche. Kurze Ruhe, Ausatmen. In der Küche stand Meyer beim Kaffeeautomaten, wartete auf seinen Nachschub an Koffein, man grüßte sich. Er hatte wieder diesen Blick und neue Widrigkeiten aus seinen Projekten mitzuteilen, sie ahnte es, es war immer das Gleiche. Er hob an, wollte sie in ein Gespräch verwickeln, ihr vielleicht neue Aufgaben zuschieben, die er eigentlich schon letzte Woche hätte gelöst haben sollen. Sie hatte einen guten Draht zum Chef. Das nutzte er regelmäßig aus. Stumm lud sie ihre Schale in den Spüler, vermied Blickkontakt und glaubte sich bereits aus der Küche, als er anhob und vorschlug, das neue Projekt Herrn Müller verantworten zu lassen. Nun konnte sie nicht anders, hielt in ihren Bewegungen inne und sah ihn fragend an. Alle waren davon ausgegangen, das neue Projekt würde er, Meyer, sich an Land ziehen und dann die Aufgaben verteilen. Aber die Verantwortung abzugeben, das passte nun gar nicht zu Meyer. Frau Brettschneider fielen nun vor Schreck auch keine Gegenargumente ein, so verwirrt war sie, stimmte zu, das dem Chef vorzuschlagen und kehrte grübelnd zu ihrem Platz zurück.

  • homöopathischer shitstorm

    vielleicht erzählt das folgende mehr über den zustand unserer gesellschaft und des diskurslevels – ich schreibe das auf, für die nachwelt. alles begann heute nacht um eins, als ein social media-account einer krankenkasse folgendes twitterte:

    erwartbar gibt es ein kleines shitstörmchen im wasserglas. es folgen links auf aktuelle artikel, die der homöopathie jegliche wirksmakeit absprechen. es gibt die berechtigte frage, warum globuli von den krankenkassen erstattet werden, nicht jedoch brillen (deren wirksamkeit – nunja – sichtbarer ist). heute morgen kam dann vom gleichen account:

    aber da war es längst zu spät.

  • falschparker einfach anzeigen

    hier gibt es eine schöne vorlage zur erstattung einer anzeige, wenn mal wieder jemand falsch parkt, bspw. auf dem radweg. der autor liefert auch begründung und argumente, falls noch jemand skrupel wegen denunziantentum hat:

    Klar will jeder seine Mühle vor der Tür stehen haben. Habt ihr euch mal überlegt, wie das bei einem 3-stöckigen Mehrfamilienhaus überhaupt gehen soll? Vielleicht nicht. Und vielleicht ist es euch auch gar nicht aufgefallen, aber das geht nicht. Da ist nicht genug Platz. Auch nicht auf dem Geh- und Radweg. Denn auch wenn da in dem Moment, in dem ihr des Deutschen liebstes Kind dort abstellt keiner da ist, da kommen Leute. Und die wollen da lang. Das versteht sogar der begriffsstutzigste Falschparker, denn sonst würde er einfach auf der 4-spurigen Straße stehen bleiben und sich gar nicht erst die Mühe machen von der Fahrbahn rüberzulenken.

    sollten wir alle mal machen, soviel zeit muss sein. und wer sein auto auf dem radweg abstellt, der nimmt ein bußgeld in kauf, weiß aber, dass die wahrscheinlichkeit gering ist, erwischt zu werden. es müssen nicht zwangsläufig neue gesetze her, vorhandene sollten nur durchgesetzt werden.

    (via)

  • Januar 2017

    während wir uns über die neuesten einreiseverbote der usa echauffieren, warten vor den toren europas menschen in teilweise unwürdigen lagern. oder sie ertrinken im mittelmeer. während wir im trockenen und warmen sitzen, klopfen sie an, wir aber ignorieren sie. statt infrastrukturen und lösungen für immigration zu finden und zu diskutieren, schotten wir uns ab, ziehen mauern und zäune hoch und klopfen uns auf die schultern, weil wir trump soeben für jene politik kritisiert haben.

    jahrzehntelang haben wir uns gegenseitig versichert, dass soetwas wie hitler nie wieder passieren kann und nun erleben wir die anfänge auf twitter. die sprache verroht, erst in den sozialen medien, dann in öffentlichen debatten. immer hemmungsloser werden obergrenzen, schießbefehle und segregation gefordert, als hätte es aufklärung, die lehren aus dem zweiten weltkrieg und bürgerrechtsbewegungen nie gegeben. geschichte wiederholt sich, als farce diesmal. unser problem sind nicht verschleierte frauen, unser problem ist unverschleierter hass gegen andere die nicht so denken und aussehen wie wir.

    wir müssen wieder die demokratie verteidigen gegen die hetzer. die debatten und die politik werden getrieben von unsinnigem getrolle. bei all’ dem bleibt keine zeit für wichtige debatten. wer konnte in den letzten monaten schon substanziell über politik sprechen, ohne dass er dabei merkel verteidigen musste? hätten wir uns vorher nie vorstellen können! lasst uns anfangen, über gerechtigkeit und verteilung zu sprechen. lange jahre exportweltmeister sind eine ungleich größere gefahr für deutschland und europa, als es flüchtende sind.

  • #feminismus

    ich bin ein alter weißer mann mit privilegien, die ich vermutlich noch nicht vollumfänglich ausgecheckt habe. ich verstehe nicht viel von feminismus. aber ich habe respekt, mindestens. allen gegenüber, nicht nur frauen. und auch wenn ich mich bemühe, so kann ich den konflikt zwischen alten und neuen feministinnen nicht komplett druchdringen:

    EMMA: Berliner Szene: Die Hetzfeministinnen, 17. Januar 2017
    taz.de: Kolumne Habibitus. Nicht weiser, nur älter, 26.?1.?2017

    mir scheint, das ist eher eine politische debatte und hat mit frauenrechte und gleichstellung und gleichbehandlung nur noch entfernt zu tun. und es geht um verschiedene vorstellungen vom frau-sein. insofern fand ich folgenden einschub im emma-link ziemlich absurd:

    Die 1981 in der DDR geborene Wizorek scheint wenig zu wissen von dem Kampf der Feministinnen im Westen gegen männliche Gewalt seit Mitte der 1970er Jahre. Oder weiß sie es besser und hat Gründe, es zu ignorieren?

    denn das macht es zu einem generationskonflikt und damit irrelevant. man kann seiner gegenüberin so ziemlich alles vorwerfen, aber doch nicht ihr alter und ihre sozialisation.

    vielleicht ist es auch dieses die revolution frisst ihre töchter – die jungen machen da weiter, wo die alten aufgehört haben? oder feminismus ist immer auch ein spiegel unserer gsellschaft? oder ist feminismus lediglich lobbyarbeit im sinne der frau?

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    “Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden. Wir sollten geltend machen, dass sich jede Bewegung, die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels.”

    KARL POPPER: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (via)

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    stefan niggemeier über den begriff fake news und die BILD-Zeitung, den medialen diskurs über nichtigkeiten. nicht facebook sei schuld, sondern die verlage und im grunde auch wir.

    Aber wie glaubwürdig ist die Empörung über die „Breitbart“-Methoden, wenn die weitgehend identischen „Bild“-Methoden seit Jahren achselzuckend hingenommen oder gutgeheißen werden?

    STEFAN NIGGEMEIER: DESINFORMATION. „Fake News“ und der blinde Fleck der Medien, 18.01.2017