:

Der Trinker (Hörbuch)

erschienen: • ISBN: • Farbe:

Das ist keine schöne Literatur, eher anstrengend. Aber wichtig, realistisch und absolut empfehlenswert.

Fallada verarbeitet hier persönliche Erfahrungen, es gibt Parallelen zur eigenen Biographie: Ein Kaufmann erliegt dem Alkohol und strudelt bis ganz nach unten, wird schließlich in eine Pflegeanstalt eingewiesen und verrottet dort förmlich. Während der Abstieg in den tiefen Sumpf des Alkoholismus vorhersehbar und linear, fast schon konstruiert, erzählt wird, ist der zweiter Teil umso mühsamer und aufschlussreicher: Was passiert mit Menschen in Anstalten, wie interagieren sie miteinander, was denken und fühlen sie? Ähnlich beklemmend und ernst und wichtig wie Horst Bieneks Die Zelle.

:

Was man für Geld nicht kaufen kann – die moralischen Grenzen des Marktes

erschienen: • ISBN: • Farbe:

Sandel gilt als Vorbild für Mr Burns von den Simpsons und als Mitbegründer der kommunitaristischen Strömung.

Im vorliegenden Buch kritisiert er die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre, große Teile des menschlichen Miteinanders zu vermarkten: VIP-Lounges in Stadien, Emissionsrechte, Werbung auf der Stirn, Polzieautos. Also jenen Auswüchsen des Kapitalismus, die wir gemeinhin als Ausverkauf bezeichnen. Das ist bemerkenswert, weil er erstens Amerikaner und zweitens Harvard-Prof ist. Aber vielleicht sagt das mehr über mein Amerika-Bild aus als über ihn…

Das Buch trieft nicht vor linker Rhetorik und marxscher Dialektik, sondern kritisiert den Neoliberalismus in einer klaren und verständlichen Sprache.

Ein Argument ist besonders bermerkenswert: Wir werten die Dinge ab, sobald wir ihnen einen Preis geben. Das klang schon bei Sedlá?ek und Graeber an und es lohnt sich ein wenig, darüber nachzudenken.

:

Geschlechtsverkehr: Eine Einführung

erschienen: • ISBN: • Farbe:

71dwfeb4p3l-_sl1500_


unsichtbar_farbig_irisDisclaimer: Das besprochene Buch wurde mir freundlicherweise vom Unsichtbar Verlag zur Verfügung gestellt.


Eine Sammlung von Kurzgeschichten, in denen es kaum um Sex geht, da bin ich mal wieder auf den Titel herein gefallen. Eine Einführung in das tabuisierte Thema gibt es immerhin. Ansonsten eher so Alltagsgeschichten und Erinnerungsfetzen. Überzeichnete Dialoge und allerlei allzu Fränkisches aus Bamberg. Das muss man mögen und das mögt man auch hier. Wie es zum Büchlein kam, hat er in sein Blog geschrieben. Viel Selbstreferentielles, überzeichnete Beobachtungen aus dem Uni-Alltags-Wahnsinn und Alkohol und WG-Partys und Polizisten, die Fahrradfahrer erschießen. Nur die letzte Geschichte hat mir nicht gefallen, die ist so traurig und desillusioniert.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels stand zweimal das Wort überzeichnet. Das ist nun korrigiert. Vielen Dank an den anonymen Grammatik-Nazi.

:

Einmal durch die Hölle und zurück (Hörbuch)

erschienen: • ISBN: • Farbe:

Der Nachfolger von Schneller als der Tod ist ähnlich, ein bisschen mehr Story, dafür weniger Geschwindigkeit. Oder die Hörbuchfassung bremst das aus, keine Ahnung. AUf jeden Fall geht es um einen Monsterfisch und der Mafiakiller im Ruhestand macht sich mit einer Paläontologin auf die Suche. Erinnert stellenweise ein bisschen an Schätzings Schwarm und am Ende gibt es noch ein wütendes Pamphlet gegen US-Regierungen, die den Klimaschutz verkacken und / oder bewusst torpedieren. Das Buch wird nicht langweilig, auch wenn verwirrend viele unterschiedliche Figuren auftreten. Sogar Sarah Palin ist dabei.

Es gibt darüber hinaus auch eine Version mit Christoph Maria Herbst und anderen, die kenne ich aber nicht.

:

Der bleiche König – 76%

erschienen: • ISBN: • Farbe:

nach einigen verwirrten kapiteln nun das erste zentrale, längere stück. die geschichte eines ich-erzählers – ist es wallace selbst? der sich windet, sich rechtfertigt. die vergangenheit deutet und sie dreht. seine geschichte erzählt, seine jugend- und studienzeit, seine drogenexperimente, die ganze dramatik einer verlorenen generation, unter dem eindruck von vietnam und watergate der ideale und gefühle beraubt vor sich hindöst und erfahrungen macht, ohne voran zu kommen. so zumindest der vorwurf der eltern.

#

2013-12-22 12.32.54

#

auch hier finden wir wieder das motiv des früh gestorbenen übervaters. während es im unendlichen spaß der gründer und leiter der tennisakademie war, der seinen kopf in die mikrowelle steckte, ist es im bleichen könig der korrekte, distanzierte, disziplinierte sachbearbeitervater, der – enttäuscht von frau und sohn – letztendlich in der überfüllten ubahn zu tode kommt. wir lernen einen sohn kennen, der erst spät – zu spät – in die gedanken- und gefühlswelt seines vaters eindringt oder einzudringen versucht. der kaputtniksohn wird letztendlich auch sachbearbeiter, wenn auch nur auf zeit. hier offenbaren sich motive wie bei kafka.

#

“Der Schlüssel, der der Bürokratie vorausgeht, ist die Fähigkeit, Langeweile auszuhalten. Effizient in einem Milieu zu funktionieren, das alles Vitale und Menschliche ausschließt. Gewissermaßen ohne Luft zu atmen.
Der Schlüssel ist die Fähigkeit, ob angeboren oder erworben, die andere Seite der Routine zu finden, des Nichtigen, des Bedeutungslosen, des Repetitiven, des sinnlos Komplexen. In einem Wort, unlangweilbar zu sein.”

#

klar geht es um die steuerbehörde und der ihr innewohnenden langweiligen tätigkeiten: abgestumpfte mitarbeiter, endlose gänge, eine verwirrende architektur und kafkaeske workflows. aber vor allem beweist sich wallace einmal mehr eine sehr scharfsinnige beobachtungsgabe. jeder protagonist hat irgend einen tick, einen zwang, eine vergangenheit, eine einstellung. hier werden keine romanfiguren beschrieben, hier greifen wir ganz tief in die küchenpsychologische trickkiste. und diesmal sind es keine drogen, sondern das leben an sich, was den handelnden übel mitgespielt hat.

#

ich bin gerade bei mrs rand und ihrer erzählung über ihre zeit in der klapper und es ist endlos und verwirrend und nicht schön, eher anstrengend. aber in großer literatur geht es eher selten um mich…