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Lauras Schweigen

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eher zufällig im antiquariat entdeckt und mitgenommen, weil schon mal ein buch von ihr gelesen. hier geht es um eine new yorker familie aus drei geschwistern und anhang, deren mutter als jugendliche von spanien nach kuba und dann usa migriert ist (wurde, es gab eine arrangierte hochzeit). diese mutter ist nun im hohen alter gestorben, nur ihre tochter laura weiß das, behält es aber den ganzen abend für sich. die familie trifft sich, trinkt, geht essen. und am nächsten tag ist beerdigung. soweit die story.

der eigentliche kniff sind jedoch die perspektivwechsel. es gibt innenansichten aller beteiligten, geschichten aus der vergangenheit, meinungen. die stimmung in der runde droht mehrmals zu kippen, zu unterschiedlich sind die charaktere, zu vieles ist passiert früher, zu vieles wurde nicht gesagt. es liegt viel enttäuschung, wut und dominanz in de luft. der tod der mutter jedoch schwebt über allem, ähnlich wie sie ursache der verhaltensweisen ihrer kinder ist. liest sich flott und interessant.

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Rückkehr nach Polen: Expeditionen in mein Heimatland

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nach dem ersten buch nun ein selbstversuch. ob der titel ein querverweis auf das buch von didier eribon sein soll, kann man zumindest ahnen, immerhin ist es ähnlich persönlich, wenn auch nicht ganz so wissenschaftlich.

die autorin – geboren in polen und aufgewachsen in deutschland – zieht für ein jahr mit ihrer tochter nach danzig und berichtet. von einem gespaltenen land, den gegensätzen, der politischen spaltung – oft innerhalb einer familie, der jüngeren geschichte zwischen postsozialismus und kapitalismus. aber auch von den alltäglich widrigkeiten. es ist sowohl eine geschichte von migration und anpassung – oft scheitert sie an für sie unbekannten alltäglichkeiten, wird schief angesehen, versteht die codes nicht – als auch beobachtungen von politik, gesellschaft und alltag.

stefan möller arbeitet sich in seinen büchern an einem ähnlichen thema ab, hat eine andere, viel unpolitischere perspektive. smechowski blickt mit einer sehr deutschen perspektive auf das nachbarland, sieht vieles kritisch, ist aber oft auch positiv überrascht. und darum gehts wahrscheinlich: die vorurteile, mit denen man rangeht an ein land sind immer falsch und bestätigen sich, aber am ende ist es doch ganz anders.

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Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 (Hörbuch)

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das buch lässt mich ratlos zurück. es ist hoch interessant, was der protagonist erzählt, eine kindliche sicht auf die bundesrepublikanische gesellschaft der sechsziger jahre, inklusive RAF-terror und katholischer erziehung. zumal der protagonist als fabrikantensohn nicht dem idealbild der 68er entspricht. jedes detail wird analysiert und es werden schlüsse gezogen, die zwar in sich logisch sind, doch von außen völlig verquer wirken. es ist aber mehr als die innenschau eines verwirrten jugendlichen, das macht das buch spannend aber auch schwierig. dazu abhandlungen über popmusik, die beatles im speziellen. über die ddr, die brd. verschiedene erzählstile, mal verhör, mal vortrag, mal essay, ergeben eine abwechslungsreiche, aber keineswegs einfache kost. man muss sich zeit nehmen, vielleicht bin ich auch zu jung, um alle anspielungen zu verstehen, aber man bekommt ungefähr eine ahnung, wie sich eine jugend damals angefühlt hat.

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Wunderbare Jahre: Als wir noch die Welt bereisten (Hörbuch)

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ob in israel, in kapstadt, auf dem kreuzfahrtschiff oder italien: frau berg ist rumgekommen und erzählt in ihrer lakonischen, detailbesessenen art davon. von damals, als reisen abenteuer war, ohne mobilem internet, man sich mit sich auseinandersetzen musste oder mit den mitreisenden oder gar mit dem urlaubsort. ob es jedoch an den jeweiligen orten besser war damals, darf bezweifelt werden. sicherlich ist die gefühlte bedrohung durch terror größer geworden. aber gerade ihre erzählungen aus lateinamerika sind schon sehr abenteuerlich. da die texte in einem sehr großen zeitraum entstanden sind und hier als zusammenfassung vorliegen, sind sie auch alle verschieden und es ergibt sich kein erzählerischer fluss. trotzdem, als zeitdokument spannend – hinter jedem der texte gibt es ein postscriptum mit aktuellem geschehen. man möchte frau berg in den rollkoffer packen und auf reisen mitnehmen.

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Rückkehr nach Reims

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das buch war vor ein paar jahren eine sensation in deutschland, dabei wurde es erst sieben jahre nach erscheinen in frankreich ins deutsche übersetzt. in der autobiographischen erzählung ist ein intellektueller auf der suche nach seiner vergangenheit im arbeitermillieu. seine homosexualität war ursache und wirkung, der bruch mit der familie notwendige flucht. wie Knausgård geht er dabei schonungslos mit sich und seiner vergangenheit um und deutet und analysiert.
dabei fällt vor allem eines auf: seine geschichte ist auch die geschichte der gesellschaft frankreichs der letzten jahrzehnte. so wie er sich auf die reise gemacht hat in die pariser gesellschaft des geistes, ist die arbeiterschaft von traditionell links nach rechts gekippt. der soziologie hat vielerlei erklärungen dafür, eine schlüssige liefert er nicht. das buch war vor den gelbwesten-protesten, die sind nach der lektüre ein bisschen verständlicher. in diesem zusammenhang sei auch Virginie Despentes empfohlen.