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Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden.

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man hört oft, die eliten regieren und beherrschen uns. aber bei der definition wirds schon schwammig, wer ist das? die da oben, sagt man. die männer in den anzügen in politik und wirtschaft. die reichen, die mächtigen eben. der autor michael hartmann war bis 2014 Professor für soziologie, schwerpunkten elitesoziologie, industrie- und betriebssoziologie, organisationssoziologie an der TU Darmstadt. er sollte es also wissen.

und tatsächlich guckt er in die chefetagen und regierungssitze und vergleicht herkünfte und einkommen, vorwiegend USA und westeuropa und der leser ist ganz verwirrt von den vielen prozenten. das führt uns zur ersten these: es wurde immer elitärer in den letzten jahren. und zwar im zuge der neoliberalsierung der gesellschaft. erst unter reagan, dann unter thatcher und schließlich schröder. die gehälter für CEOs und aufsichträte stiegen massiv, die regierungsmitglieder kamen immer öfter aus bürgerlichen millieus. bis heute vertärkt sich der trend selbst, sodass inzwischen auch das kabinett in deutschland nicht mehr paritätisch besetzt ist (bezogen auf die herkunft). entsprechend der herkunft werden dann eher wirtschaftsfreundliche entscheidungen in der politik getroffen. symptomatisch auch die häufigen wechsel der politiker in den vergangenen jahren in die wirtschaft und wieder zurück. das ist gut und nachvollziehbar beschrieben, auch die auswirkungen auf die politischen entscheidung.

der letzte teil beschäftigt sich mit alternativen, bleibt aber seltsam verhalten dabei.

und so ist das büchlein (ca. 250 seiten) mit dem reißerischen titel doch sehr nüchtern und handwerklich. es fehlt der blick nach china, russland und in den arabischen raum. es hätte ein bisschen mehr grafik gebraucht.

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Der Tag, als meine Frau einen Mann fand. (Hörbuch)

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Unglaublich tiefe Story über ein Ehepaar, das sich in langen Jahren auseinander gelebt hat. Es erzählen beide abwechselnd aus ihrer Perspektive, einen Erzähler gibt es keinen. Er ist mittelmäßiger Theaterregisseur, sie ist vor allem seine Frau. Es ist eine langweilige Ehe, die ihr trauriges Final im Ausland findet – man erfährt nicht genau, wo, aber das spielt auch keine Rolle. Seine Inszenierung mit Jugendlichen ist erfolglos, sie langweilt sich und macht eine Urlaubsbekanntschaft. Zurück in der Eigentumswohnung sehnt sie sich nach ihrer Affäre und lädt ihn ein. Es beginnt eine merkwürdige Dreiecksgeschichte, die in der Katastrophe endet, was will man machen.
Gäbe es das Wort “lakonisch” noch nicht, man müsste es für dieses Buch erfinden. Beide Protagonisten sind nicht in Würde gealtert, sondern trauern permanent ihrer verlorenen Jugend nach, jeder für sich und allein. Da hilft auch der junge Lover nicht. Man könnte jeden dritten Satz in ein Kopfkissen stecken, es sind präzise, klinisch saubere Angriffe auf jede Menschlichkeit und damit menschlicher als so manch’ aktuelle Roman.

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Als wir zum Surfen noch ans Meer gefahren sind: Unser Leben vor dem Internet (Hörbuch)

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Früher war alles besser und das ist das Buch dazu. Es gab keine Smartphones und wir haben trotzdem überlebt. Obwohl das keine 20 Jahre her ist, klingt es wie Opa erzählt vom Kriege. Es ist auch wirklich nichts spannendes dabei, war halt so, da zuckt man mit den Schultern und geht weiter. Mir fällt auch nach längerem Nachdenken niemand ein, für den das spannend sein könnte.

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Wer regiert die Welt? Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

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Der Originaltitel Why the West Rules — For Now: The Patterns of History, and What They Reveal About the Future – nicht ganz so reißerisch wie der deutsche Titel. Über 600 klein bedruckte Seiten, einige Karten und Diagramme und die Übersetzung machen das Buch zu einem gut lesbaren Sachbuch.
Das etwas zu gewollte Gedankenexperiment am Anfang kann übersprungen werden. Die zentrale Thesen lauten: Der Antrieb zivilisatorischer Entwicklung basiert auf den menschlichen Gefühlen Faulheit, Angst und Habgier. Hinzu kommen klimatische, geographische und biologische Gegebenheiten (siehe dazu MARSHALL, 2015). Die Entwicklung folgt dann den immer gleichen Mustern: Ein Kerngebiet entwickelt sich und expandiert dann aus verschiedenen Gründen nach außen, nicht gleichmäßig, nicht kontinuierlich, sondern immer dann, wenn Menschen aus Angst fliehen oder woanders bessere Perspektiven sehen. Dann wird das Gebiet immer größer und andere Vöker/Nationen versuchen wiederum in die Gebiete einzudringen. Manchmal bis zum Kerngebiet, sodass die jeweilige Zivilisation aufhört zu existieren oder sich neu erfindet.
Der Autor dekliniert diese Thesen von den frühen Zivilisationen durch, wobei er einen Index der gesellschaftlichen Entwicklung einführt. Den Versuch, den Grad der Zivilisation einer Gesellschaft in Zahlen zu fassen. Die Dimensionen sind Energieausbeute, Gesellschaftliche Organisation, Kriegführung, Informationstechniken. Anhand historischer Funde, Fakten und Quellen ergeben sich Graphen für verschiedene Regionen und Epochen, die helfen, die Entwicklung nachvollziehbar zu machen:

Abbildung 12.1 aus MORRIS, Ian: Wer regiert die Welt. Campus Verlag, Frankfurt, 2011, S. 559

Aufräumen will der Autor mit der These, dass der Westen schon immer geführt hat, vielmehr war der Osten (vor allem China) durchaus mal weiter und wird auch wieder führend werden in naher Zukunft. Geschichte ist nicht vorherbestimmt und die Sicherheit von heute kann morgen schon nicht mehr da sein. Mächtige Reiche sind untergegangen oder wurden durch äußere oder innere Umstände verändert, nichts ist vorhersehbar.

Dabei sind es vor allem die vielen Details und kleinen Ereignisse, die den Lauf der Dinge bestimmen, und die das Buch so kostbar machen. Morris versteht es auf anschauliche Weise, eine kompakte Geschichte der Zivilisationen zu erzählen, ohne oberflächlich zu werden.

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Die Macht der Geographie: Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt

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Der englische Titel Prisoners of Geography ist auch nicht viel sachlicher als der deutsche. Leider erfüllt das Buch die Erwartungen des Lesers nicht. In zehn Kapiteln geht der Autor auf verschiedene Regionen der Welt ein und fasst in verständlicher Art die früheren und aktuellen Konflikte der jeweiligen Politik zusammen. Dass diese auch von der Geographie beherrscht wurden und auch immer noch werden, dürfte klar sein.
Viel Raum beispielsweise nimmt die These von der nordeuropäischen Tiefebene ein (siehe auch wikipedia: European Plain), jenem Keil flachen Lands zwischen Berlin und Moskau, vor dem sämtliche russischen Führer Angst hatten und haben und ihre europäische Politik ausrichteten und ausrichten. Es erklären sich wie von Zauberhand die Politik Stalins in Osteuropa und Puntins Ukraine-Politik der vergangenen Jahre. Dass es nicht nur an der Geographie lag, ist dem Autor auch klar und so muss er den ganzen Rest auch noch erklären.
Für andere Regionen gilt dasselbe: Kein richtiger Krieg je zwischen China und Indien? Liegt am Himalaya. Die Grenze zwischen USA und Mexiko? Wegen Wüste sowieso schwierig. Warum Japan nur mit Atomwaffen bezwungen werden konnte? Lag am Insel-Status. So geht das munter weiter, dazwischen immer wieder neues und interessantes.
Die große Theorie von der Allmacht der Berge und Flüsse und Täler und Wüsten kann das Buch nicht aufrechterhalten. Spätestens beim Afrika-Kapitel waren es eher die Willkür der Grenzziehungen und Unterdrückung und Ausbeutung durch die Kolonialmächte, weniger die geographischen Verhältnisse.
Interessant ist die Rolle Chinas in der Welt, die sich weniger durch militärische Stärke als durch kapitalistischen Imperialismus in der Welt einkaufen, vor allem in Afrika und Nahem Osten. Dabei legen sie weniger Bedenken gegen Diktatur und Missachtung von Menschenrechten an den Tag als noch die USA, die neben Coca Cola auch Demokratie bringen wollten. Oder andersherum: China bringt nur Geld und mischt sich weniger in lokale Politik ein. Ohne das zu bewerten, ist es doch ein erstaunlicher Trend. Aber auch hier ist das Buch weit weg von seinem eigentlichen Anspruch.
Ich hätte mir wirklich mehr Details gewünscht, geschichtliche Ereignisse, in denen die Geographie der entscheidende Faktor war, die Wende brachte. Und dafür dann weniger allgemeine Erklärungen. Aber die brauchts natürlich, um verständlich zu bleiben.
Die Karten sind lieblos blau in blau, schlecht lesbar und viel zu oberflächlich, so dass man auf sie auch verzichten hätte können.