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Licht über dem Wedding

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in einem mietshaus im berliner wedding wohnen die protagonisten, an deren leben wir kurz teilnehmen: der arbeitslose wolf und seine tochter agnes, die er wegen saufen vernachlässigt und die schon zu groß ist, um nicht zu verstehen. und die modebloggerin (influencerin) hannah. ihre leben kreuzen sich nur kurz, sonst geht man seiner wege, es ist eben berlin. die liebe vergeht und die leben geraten ins schwanken. es geht schnell, ganz unten anzukommen und es ist schwer, wieder aufzustehen. wobei hier berlin als stadt gar nicht mal schuld ist, es sind die fragilen lebensentwürfe, die falschen hoffnungen und enttäuschungen. am ende treffen wir uns im humboldthain.

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Hund, Wolf, Schakal

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der autor – eine feste größe im berliner kulturleben – liefert mit seinem ersten roman eine solide und faszinierende geschichte über migration, integration und das leben jenseits der deutschen mehrheitsgesellschaft. zwei junge brüder ziehen mit ihrem vater von teheran nach berlin, wir begleiten sie und sehen sie heranwachsen. es ist nicht einfach und oft auch nicht legal, ein ewiger kampf der behauptung und des hinfallens und wieder aufstehens.

“Er lief in Richtung Sonnenallee. Die Straße, die am meisten Teheran war. Weil nichts funktionierte und trotzdem alles überlebte. Keiner, kein Einziger auf dieser Straße hatte eine gute Idee. Das musste man sich genau so vorstellen. Nicht eine einzige Idee war gut. Aber jede gut genug. Und das war der Witz, die Pointe, vielleicht sogar die Überlegenheit dieser Straße. Mitten in Europa hatten sie sich angesiedelt. Ohne eine Idee. Ohne Geld. Ohne Sprache. Ohne Wissen. Ohne Verbindungen oder Freunde. Sie hatten nicht mal Lust und schon gar keine Vision. Sie waren genauso fehl am Platz wie der american dream in ihren Heimatländern, und genauso aufdringlich. Das reichte.”

wunderbare plakative sätze und sprachbilder, zusammen mit einer runden story und vielen beobachtungen. unbedingt lesen.

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Effingers

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vor jahren las ich Käsebier erobert den Kurfürstendamm, eine geschichte über einen sänger im berlin der späten zwanziger jahre. Effingers erzählt von zwei familien und umspannt die zeit kurz nach der reichsgründig bis zum ende des zweiten weltkriegs.

die geschichte ist fiktiv, trägt aber durchaus autobiographische züge und ist eingebettet in wahre begebenheiten. es ist – ähnlich wie die Buddenbrooks – eine geschichte vom niedergang einst angesehender familien. man wohnt mondän am rand des tiergartens und empfängt jeden sonntag familie und freunde. doch neue zeiten kommen und das alte geld wird weniger, die industrialisierung erfordert neue investitionen, gefragt sind unternehmer und fabrikanten. doch auch deren existenz ist nach dem ersten weltkrieg bedroht und wieder ist umdenken und anpassung erforderlich. beide familien sind jüdisch, der aufstieg der nazis und die verfolgung löscht fast alle mitglieder aus.

durch heirat verweben sich die unterschiedlichen familien, es gibt konflikte zwischen altem und neuem geld, zwischen den generationen, zwischen müttern und töchtern. politische und religiöse gräben tun sich auf, neue perspektiven und lebensentwürfe sind möglich in der zeit nach dem ersten weltkrieg, kopfschüttelnd kommentiert von der alten generation.

geschrieben in mal kurzen, mal langen kapiteln, viele gespräche, briefe, beobachtungen, zeitungsartikel. und viel berlin, die heimliche protagonistin, ihre transformation von der biedermeierschen residenzstadt zur weltmetropole.


siehe auch:

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Faserland

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der beginn der popliteratur. der ätzende ich-erzähler zeigt uns seine welt, reist durch deutschland und ist irritiert von seinen freunden. alle tragen abgewanzte barbour-jacken (das musste ich nachschlagen). die alten freunde sind komisch geworden, man versteht sich nicht mehr, oder nimmt die falschen drogen. überhaupt geht es drunter und drüber mit der hauptfigur, geld spielt keine rolle oder man hat zuviel davon. gearbeitet wird nicht, man lebt. dekadent und kaputt. die fehlende sympathie mit den figuren wird durch den flüssigen erzählstil ausgeglichen, es ist ein dünnes büchlein, der wikipediaeintrag ist fast ebenso lang. muss man das 2021 noch lesen?

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Panikherz (Hörbuch)

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tatsächlich habe ich um die bücher und artikel des autors immer einen bogen gemacht. das popliterarischen gibt sich eben auch als stumpfsinnig. offenbar habe ich echt was verpasst. nun denn, vorliegendes buch ist seine (vorläufige) autobiographie, sozusagen das ehrlichste von allen. die knapp 17h hörbuch (vom autor gelesen) sind ein gewaltiger ritt durch die musikszene der neunziger, drogensumpf, entzugsklinik und rückblick am pool in LA. ein imposantes leben, viele abstürze, viele bekannte weggefährten. vor allem Udo Lindenberg und Bret Easton Ellis. schön geschrieben und auch ein bisschen knifflig, man muss sich als hörer konzentrieren, um die zeitebenen nicht durcheinander zu würfeln. die vielen namen und fremden stimmen sind auch ablenkung, selbstschutz, damit er sich nicht mit sich und seinen problemen auseinander setzen muss. das mag frustrierend sein, anderseits ist es ein eindrucksvoller blick auf die medienbranche und ihre mechanismen. man möchte nicht tauschen.