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Kinderhaben

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auf wenigen seiten schafft die autorin einen wichtigen debattenbeitrag und bringt mich zum nachdenken. was es für eine frau heißt, kinder zu bekommen und sie groß zu ziehen. es geht nicht um die kinder oder die erziehung, sondern um die mutterschaft in der gesellschaft, in der paarbeziehung, im gehirn der frau. während sich väter abgrenzen können, sei es physisch oder im kopf, hört mutter sein nie auf, ständig wird organisiert und geplant, vollzeit. dazu der druck von außen. es ist ein unsichtbarer kampf, der nicht gewürdigt wird. dazu der ökonomische druck und der vergleich mit der (westdeutschen) vergangenheit – mann arbeitet, frau ist zuhause – heute arbeitet frau und macht carearbeit zusätzlich. ich empfehle jedem, nicht nur eltern, dieses bändchen zu lesen. weil es vieles sichtbar macht und ein problembewußtsein schafft, zumindest mich nachdenklich zurück lässt.

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gehen in der wüste

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alles klein geschrieben (( meist schreibe ich auch hier im blog alles klein, aus praktischen gründen und weil internet ist. gefreut habe ich mich vor jahren, als ich bei ix einen theoretischen unterbau las. von dort auch die lektüreempfehlung)), aicher schreibt über seine reisen in die wüste. es ist kein zusammenhängender text, aber viele zusammenhängende texte, mal lyrisch, mal praktisch, mal abenteuerlich, mal menschlich. es sind reisen ohne technik, keine handys, kaum autos, wenig gepäck, nur viel wasser und landkarten. reisen mit sich alleine, auch er meist nicht alleine war. dazu viele tolle bilder. sie zeigen meist nur wüste, selten menschen. aber vermitteln einen guten eindruck, dass die wüste immer anders aussieht. jede düne ist in bewegung und dient doch als orientierungspunkt. es bleibt nicht aus, dass er, fernab jeglicher zivilisation, über zivilisation nachdenkt. und unter der gleißenden mittagssonne zu erkenntnissen kommt, die leider immer noch aktuell sind:
„[über das fotografieren in der wüste:] ja, es ist eine passion. ich muß ja nicht der fiktion unserer jetzigen zivilisation nachlaufen, passion sei sex und man habe sexy zu sein bis ins alter. es gibt andersartige amouren. menschliche kultur ist erfindung von neuen passionen, leben in neuen entwürfen. ein hoher materieller standard rechtfertigt sich zuerst als basis solcher passionen. lebensstandard zu konsumieren, schafft langeweile, unmut bis zur selbstaufgabe.“ (s.101)
„die konserven blieben liegen. das war zum teil in der miserablen qualität begründet. unter dem motto >frisch aus deutschen landen< werden fleischabfälle und fettreste zu wurstbrei verarbeitet. das mag einem maurerpolier als würze zum bierkonsum reichen, bei angegriffenen kräften wird man mindestens so wählerisch wie eine katze oder ein hund." (s.89)
ist es ein reiseführer oder ein essay, eine sammlung oder ein tagebuch? ein bildband? alles das und noch mehr. man kann immer wieder drin blättern, es wird nie langweilig.

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Das Leben des Vernon Subutex, Teil 2 (Hörbuch)

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Nach Teil 1 geht es weiter mit Vernon, inzwischen obdachlos in den Straßen von Buttes-Chaumont (im nordöstlichen 19. Arrondissement von Paris). Es geht weiter mit den Erzählsträngen, die Clique trifft sich nach Jahren wieder, es wird religiös und teilweise eklig. Und auch im zweiten Teil geht es eigentlich um die französische Gesellschaft und wie sie sich gewandelt hat. Um Migration und Rassismus, um Klassenkampf und Politik. Die Protagonisten haben diverse Meinungen und genügend Platz, diese auszuführen. Das gelingt Virginie Despentes besser als Didier Eribon, der ähnliches vorhatte, aber viel zu verkopft schrieb. Es gibt noch einen dritten Teil, der hoffentlich besser ist als der zweite hier, dessen Story doch etwas zäh ist.

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Scharnow (Hörbuch)

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die story spielt in einem fiktiven kaff in brandenburg (wie bei Zeh, 2016 und Stanišic, 2014) und ist wie erwartet reichlich absurd. eine vorstadtgang überfällt nackt den örtlichen supermarkt, ein mann fliegt und hat übermenschliche kräfte, die weltenlenker sind schuld am tod eines hundes. es vieles komisch, absurd und tragisch: die tristesse eines vorstadtdorfs, die enttäuschten hoffnungen der bewohner, sie sehnsüchte. tragen die zahlreichen sprachspielereien, wendungen und einfälle ein ganzes buch? wieviel punk darf literatur sein? es funktioniert, der leser / hörer will wissen wie es weiter geht, schließt die figuren in sein herz und hofft auf eine fortsetzung. ich habe mehrmals den faden verloren, die ereignisse überschlagen sich, es passiert alles zu selben zeit und am ende wird alles ganz anders. das hörbuch hat bela selbst eingelesen, mit plötzlichen geräuschen mitendrin. es ist was ganz eigenes, ungefähr wie die solo-alben von ihm: es sind keine Die Ärzte, aber man weiß ganz genau, das sie tief in ihm drin stecken.

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Junger Mann

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Ein Heranwachsender lebt bei seiner überfürsorglichen Mutter, besucht das Internat und ab und an seinen Vater, der wegen Trinksucht in der Klinik ist. Er arbeitet in den Energieferien an der Tankstelle und will abnehmen. Das zieht er konsequent durch. Wäre nicht Elsa und der Tscho, wäre das Buch zu Ende. Aber in die Elsa verliebt er sich und vor Ihrem Mann, den Tscho, fürchtet er sich. Der ist Lastwagenfahrer und nimmt den Protagonisten irgendwann mit Richtung Griechenland. Die Story nimmt langsam an Fahrt auf und gegen Ende ist alles ganz anders als erwartet. In einzigartigem Erzählstil, der schon von den Brenner-Krimis bekannt ist, erzählt Hass die Geschichte. Lakonisch und trocken, die menschlichen Eigenschaften beschreibend und mit viel trockenem Humor, schafft er es, diese eigentlich fade und trockene Geschichte interessant zu erzählen, dass man nicht aufhören will. Es sind die kleinen Details, wie der sorgsam von der Mutter gepackte Proviant, die österreichischen Wörter, die hin und wieder aufblitzen und die Erinnerung an die eigene Jugend. Denn eigentlich geht es um diese schreckliche Zeit, in der man mit seinem wachsenden Körper nichts anzufangen weiß, in der die Mädels interessant werden, aber man das alles nicht versteht.

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Auerhaus

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die geschichte von ein paar jugendlichen, die kurz vorm abi in eine wg ziehen. ganz ohne eltern und regeln. doch es wird kompliziert, individualismus trifft kollektivismus trifft realität. es wird nicht einfach, auch von den großen themen des lebens werden die bewohner nicht verschont: tod, sexualität, eigentum. gelungener roman über jene kurze zeit zwischen jugendlich und erwachsen. leider zu kurz.

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2666

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789798 Drei Monate lang habe ich dieses Buch gelesen. Über 1100 dünne Seiten, hunderte Charaktere, fünf Teile, die lose miteinander in Verbindung stehen. So ein bisschen Gefühl wie bei Infinite Jest, nur nicht ganz so tief. Es geht um Literatur. Am Anfang suchen vier europäische Kritiker einen deutschen Schriftsteller namens Benno von Archimboldi. Neben dieser Suche, die sie auch nach Mexiko führt, entwickelt sich eine verworrene Liebesgeschichte. Dann folgt der Teil mit den Frauenmorden in der fiktiven mexikanischen Stadt Santa Teresa, eine reale Frauenmordserie diente als Vorlage. Und am Ende erfahren wir die Lebensgeschichte von Benno von Archimboldi, seiner Familie und seiner Gedanken. Dazwischen immer wieder Ausflüge in die Leben ganz anderer Menschen, in die Literaturgeschichte, man kann gar nicht alles aufzählen. Also selber lesen und Zeit nehmen dafür. Es lohnt sich, auch wenn die Story etwas fad klingt, die Sprache ist lebendig und es macht Spaß, vor allem in der deutschen Übersetzung von Christian Hansen.

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Ein Mann – Ein Buch (Hörbuch)

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Ja, mhm, lustig. Doch. Hannes Jaenicke, Wladimir Kaminer und Jan Plewka lesen folgende Anleitungen:
  1. Einer Frau zuhören
  2. Eine 747 landen
  3. Eine Kneipe aufmachen
  4. Was tun wenn man eine Bombe findet?
  5. Einen Schluckauf bekämpfen
  6. Pokern
  7. Tanzen, ohne tanzen zu können
  8. Fussel im Bauchnabel finden
  9. Einen Kater bekämpfen
Das klingt spannender als es dann tatsächlich ist. Denn die Texte sind nicht besonders tiefsinnig, eher langweilig. Da kann jede noch so gute Vortragsweise auch nichts heraus reißen. Was das ganze dann noch mit Männlichkeit zu tun haben soll? Keine Ahnung, irgend ein Marketingfuzzi wird es wissen… [xrr rating=2/10]

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Story Telling – Story Selling: Märchen und Märchenerzähler in der Wirtschaft

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interessanter ansatz: das ganze buch ist ein dialog der autorin mit ihrem freund. er ist mehr so der wirtschafter, sie die kommunikationsexpertin. und sie reden über allerlei: wie unternehmen kommunizieren, wie kommunikation in der wirtschaft funktioniert und auf keinen fall funktioniert. zugegeben, streckenweise wirkt das gespräch aufgesetzt und wenig realistisch. aber die kernaussage wird rübergebracht: nur wer gute geschichten erzählen kann, verkauft auch gut. hinter jeder werbebotschaft sollte ein plot sein, ein ganzes storyboard, damit es mir der kunde abkauft. kein uninteressanter gedanke, zugegeben. und dann war da noch ihre oma, die sehr oft in ihren geschichten auftaucht: ein kölner original mit ebenerdigen materiellen ansprüchen und lebensweisheiten. [xrr rating=5/10]

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Atlas Shrugged: Wer ist John Galt? / Atlas wirft die Welt ab

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ein wichtiges (und wuchtiges) stück weltliteratur. gerade vor dem hintergrund weltwirtschaftskrise wieder aktuell geworden. erzählt wird die geschichte geschäftsführerin und erbin einer eisenbahngesellschaft. doch statt mit technischen details muss sie sich mit einer veränderten politik und gesellschaftlichen stimmung auseinandersetzen: die schelte bekommen nun die manager und eigentümer, da sie zu wenig für die öffentlichkeit tun und nur an ihren profit denken. die politik reagiert und greift in den markt ein, reguliert ihn zu tode und nach nur ein paar jahren erlahmt das ganze land (hier: die usa in einer 50er-Jahre zukunftsvision). die besitzer reagieren und verschwinden unerhörter weise, ihre firmen übernimmt der staat und richtet sie zu grunde. nur frau taggart, die eisenbahnmagnatin hält durch und kämpft gegen intrigen, dummheit und engstirnigkeit. währenddessen geht ihr eigener konzern vor die hunde: züge entgleisen, brücken stürzen ein, lukrative strecken werden geschlosen, um politisch motivierte streckenabschnitte bedienen zu können. nach und nach wird klar, wohin all‘ die ehemaligen kapitalisten hinverschwunden sind und wer ihr anführer ist, eben jener john galt. das buch gipfelt in der rede galts. diese rede ist tief in der amerikanischen kultur verankert, wird zitiert und auf youtube finden sich mehrere rezitationen. im kern geht es um die frage, wieviel staat verträgt der markt, wo muss er eingreifen, muss er überhaupt oder ist es nicht viel besser, dem unternehmer alle freiheiten zu lassen? darüber kann man ewig diskutieren, das ist hoch spannend. und ich habe, der leser ahnt es bereits, eine etwas andere meinung als ayn rand und ihr john galt. sie malt an der stelle zu schwarzweiß. das kann man ihr vorwerfen. und dass ihr buch kein großer literarischer wurf ist. eher ein monstrum. aber im gleichen atemzug muss man sagen, dass sie weit über den neoliberalismus hinaus denkt (ihre philosophie nennt sich objektivismus). sie lässt einen ihrer protagonisten sagen:
„Widersprüche gibt es nicht. Wenn ihr meint, ihr hättet es mit einem Widerspruch zu tun, überprüft eure Prämissen. Ihr werdet feststellen, dass eine davon falsch ist.“
und das ist großartig. die ermahnung zum denken. immer wieder neu. ohne feste paradigmen, ohne den ballast von vorgefertigten meinungen. in der tradition von aristoteles und kant. das unterschreibe ich sofort. und auch den ansatz, ihre philosophie in romanform zu gießen statt in unlesbare aufsätze: nobel. nur das ergebnis scheitert an sich selbst. oder zumindest an ihren literarischen fähigkeiten. nichtsdestotrotz empfehle ich dieses buch all jenen, die selber denken (wollen). man muss ja nicht immer mit der autorin einer meinung sein.