Erscheinungsjahr: 2019

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Die juten Sitten. Goldene Zwanziger. Dreckige Wahrheiten. (Hörspiel)

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sehr aufwendig produziertes höspiel über das berlin in den späten 1920er-jahren. im zentrum eine kneipe/puff namens ritze in der mulackstraße (mitte). die gabs wirklich und die inneneinrichtung kann heute noch im museum besichtigt werden. die protagonisten sind sexarbeiterInnen, wir blicken tief in die abgründe des allzumenschlichen und das buch verschont uns nicht mit details („Wir weisen dich darauf hin, dass dieser Titel nicht für dich geeignet ist, wenn du unter 18 Jahre alt bist.“ – quelle). die geschichte wird in rückblenden erzählt – meines erachtens unnötig – aus der sicht der nun erwachsenen hedwig, damals war sie acht und hat ein bisschen zu viel für ihr alter gesehen.

wie bei tergit erfahren wir menschliche abgründe, aber auch von weiblicher emanzipation und gesellschaftlichen diskursen, die heute noch aktuell sind, so wird etwa 1927 die strafbarkeit von prostitution abgeschafft und versucht, die wohn- und arbeitssituation zu verbessern. wobei das natürlich in der heutigen zeit geschrieben wurde und wir unsere eigenen ansichten projezieren, wie bei allen historischen romanen. pluspunkte gibt es, weil man ins aschinger geht, da kommen immer so döblin-vibes auf.

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Unsichtbare Frauen

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wie eine von daten beherrschte welt die hälfte der bevölkerung ignoriert („Exposing Data Bias in a World Designed for Men“) – so der untertitel. und so die realität. in etlichen beispielen aus dem alltag und der geschichte zeigt die autorin auf, dass wir noch einen weiten weg vor uns haben. neben vielen offensichtlichen benachteiligungen, geht es vor allem um kleine dinge des alltags, deren design von männern erdacht wurden, während sie die bedürfnisse von frauen nicht mitdachten. und auf die uns erst die autorin hinweisen muss.

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Trinker, Cowboys, Sonderlinge: Die 12 seltsamsten Präsidenten der USA

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spannende reise durch die geschichte der amerikanischen präsidenten. durch eine sehr deutsche brille gesehen, aber höchst unterhaltsam. trump wird kaum erwähnt, das buch entstand aber natürlich unter dem einfluss seiner absurden amtsführung. das buch kratzt höchstens an der oberfläche, als einstieg aber dringend zu empfehlen und liefert genügend stoff, um sich intensiver mit dem land der gegensätze und verrücktheiten auseinander zu setzen.

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Alles richtig gemacht (Hörbuch)

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ein buch über pankow! da wohnt einer in der esplanade in einem ehemaligen botschaftsbau, ist rechtsanwalt und hat eigentlich alles. nur ist ihm seine frau weggelaufen und ein alter freund taucht auf. wir tauchen ab in eine geschichte über freundschaft und die wirren der nachwendezeit. alles beginnt in rostock, wo zwei jungs zusammen aufwachsen, die mauer fällt und alles ist aufregend und anders. die große geschichte wird im kleinen erzählt. die ausschreitungen in rostock-lichtenhagen bspw. bekommen sie nur am rande mit, später ist es ähnlich mit dem 11. september, dem g8-gipfel in heiligendamm – es bleiben markierungspunkte in der geschichte, mit denen man sich als leser gut identfiziert. man zieht nach berlin in den abgerockten altbau schönhauser ecke bornholmer und hat eine gute zeit, die liebe wohnt auch schon mit und später kommen die kinder, der freund ist irgendwann weg, man hat sich aus den augen verloren. gut erzählt in verschiedenen rückblenden und zeitebenen, immer aus sicht des protagonisten thomas. am rande ist es auch eine erzählung von gentrifizierung und verdrängung, von depression und rechtssystem, aber nie aufdringlich. und die besten grillhähnchen gibts im wedding, klar.

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über Nick Cave (Hörbuch)

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witzige idee, gibt eine ganze reihe über verschiedene musiker von diversen autoren. der autor reist mit seiner freundin zu einem konzert in mexiko und erzählt seine geschichte und nebenbei auch die von nick cave. keine klassische biographe also, aber viel näher am künstler und unterhaltsamer. subjektiv alles, aber macht Spaß.

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Rückkehr nach Polen: Expeditionen in mein Heimatland

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nach dem ersten buch nun ein selbstversuch. ob der titel ein querverweis auf das buch von didier eribon sein soll, kann man zumindest ahnen, immerhin ist es ähnlich persönlich, wenn auch nicht ganz so wissenschaftlich. die autorin – geboren in polen und aufgewachsen in deutschland – zieht für ein jahr mit ihrer tochter nach danzig und berichtet. von einem gespaltenen land, den gegensätzen, der politischen spaltung – oft innerhalb einer familie, der jüngeren geschichte zwischen postsozialismus und kapitalismus. aber auch von den alltäglich widrigkeiten. es ist sowohl eine geschichte von migration und anpassung – oft scheitert sie an für sie unbekannten alltäglichkeiten, wird schief angesehen, versteht die codes nicht – als auch beobachtungen von politik, gesellschaft und alltag. stefan möller arbeitet sich in seinen büchern an einem ähnlichen thema ab, hat eine andere, viel unpolitischere perspektive. smechowski blickt mit einer sehr deutschen perspektive auf das nachbarland, sieht vieles kritisch, ist aber oft auch positiv überrascht. und darum gehts wahrscheinlich: die vorurteile, mit denen man rangeht an ein land sind immer falsch und bestätigen sich, aber am ende ist es doch ganz anders.

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Berlin: Biographie einer großen Stadt

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Vor fast genau hundert Jahren entstand Groß-Berlin, das war die Ausdehnung der Stadt auf die Größe, die sich bis heute kaum verändert hat. Bisky hat sich also gewagt an eine Stadtgeschichte, weniger chronologisch oder historisch, eher erzählend bis anekdotisch. Daher heißt der vorliegende Ziegelstein auch Biographie. Auf über 900 Seiten ist viel Platz und den braucht man auch, trotzdem Berlin in Vergleich zu anderen Städten sehr jung und die frühe Stadtgeschichte eher langweilig ist. Bisky schafft es, jede Etappe historisch und politisch einzuordnen und neben den großen Entscheidungen auch Architektur, städtisches Leben, Sprache, Einflüsse, Kunst und Gesellschaft anzusprechen. Die Biographien großer und kleiner Berliner finden ihren Platz, sodass sich aus den Einzelschicksalen die Biographie der Stadt ergibt. Wenn auch die Sätze manchmal etwas zu klotzig sind, oder seltsam verschraubt, sodass man sie mehrmals lesen muss. Wenn auch die jüngste Geschichte etwas zu aktuell ist – niemand ist frei von Urteilen und Bisky auch nicht, das hätte er weglassen können. Wenn man sich am Anfang durch die Friedrich Wilhelms quälen muss, es lohnt sich auf jeden Fall. Er hat ein schnell lesbaren Überblick über die Stadtentwicklung geschrieben und sich Zeit gelassen für die Details. Notiz am Rande: Hier habe ich zum ersten mal bewusst über etwas gelesen, von dem ich Teil war und bin, ein Stück meiner eigenen Biographie sozusagen. So muss sich also dieses Altern anfühlen.

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Scharnow (Hörbuch)

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die story spielt in einem fiktiven kaff in brandenburg (wie bei Zeh, 2016 und Stanišic, 2014) und ist wie erwartet reichlich absurd. eine vorstadtgang überfällt nackt den örtlichen supermarkt, ein mann fliegt und hat übermenschliche kräfte, die weltenlenker sind schuld am tod eines hundes. es vieles komisch, absurd und tragisch: die tristesse eines vorstadtdorfs, die enttäuschten hoffnungen der bewohner, sie sehnsüchte. tragen die zahlreichen sprachspielereien, wendungen und einfälle ein ganzes buch? wieviel punk darf literatur sein? es funktioniert, der leser / hörer will wissen wie es weiter geht, schließt die figuren in sein herz und hofft auf eine fortsetzung. ich habe mehrmals den faden verloren, die ereignisse überschlagen sich, es passiert alles zu selben zeit und am ende wird alles ganz anders. das hörbuch hat bela selbst eingelesen, mit plötzlichen geräuschen mitendrin. es ist was ganz eigenes, ungefähr wie die solo-alben von ihm: es sind keine Die Ärzte, aber man weiß ganz genau, das sie tief in ihm drin stecken.

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Herr Sonneborn geht nach Brüssel: Abenteuer im Europaparlament (Hörbuch)

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Jaja, es ist sehr gut. Sonneborn berichtet über seine Zeit im 8. Europäischen Parlamentes von 2014 bis 2019 (inzw. wurde er wieder gewählt). Absurdes bis tragisches, ernstes bis komisches, es ist eigentlich zum heulen. Da werden Millionen verballert für ein Parlament, weitere Institutionen und dazu einen Wasserkopf an Verwaltung. Im Parlament sitzen die abgeschobenen Politiker der Mitgliedsstaaten und vertreten teilweise absurde Meinungen. Sonneborn steckt den Finger in die Wunde und weidet sich am Versagen. Es ist zum Heulen, dass es einen Satiriker braucht, um kritisch zu informieren. Danke dafür, das Tragische jedoch: Es wird sich nichts ändern.

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Alte weiße Männer: Ein Schlichtungsversuch (Hörbuch)

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über emanzipation kann man so schön schreiben wie Margarete Stokowski oder man ätzt wie Alice Schwarzer. Sophie Passmann allerdings geht einen anderen weg: sie befragt alte weiße männer, also jene, die verlieren, wenn das matriarchat dereinst wieder gewinnt. wobei, und man kann das gar nicht oft genug schreiben, alter weißer mann ein art symbol ist, für die gesellschaftliche klasse an männern, die auf der nordhalbkugel das sagen haben, in chefetagen, politik und gesellschaft. eigentlich gehts garnicht um altersdiskriminierung oder hautfarbe, sie sind halt nur alle ZUFÄLLIG alt bis mittelalt und männlich, die sogenannten entscheider. passmann befragt die männer, beschreibt die interviewsituationen, mal persönlich, mal grotesk und lässt sie zu wort kommen. jeder darf ausreden und sich erklären. mal schlau, mal platt. man merkt auch an ihrer kommentierung (sie liest das hörbuch selbst), wen sie mag, und wen nicht. aber ist es persönlich und plötzlich spürt man die verletzlichkeit und menschlichkeit. die rituale, sich hinter plattitüden zu verstecken oder ehrlich zu sein. das ist keine soziologische studie, aber eine unterhaltsame übersicht über die denkweise männlicheer deutscher intellektueller und entscheider im jahr 2019. was denken sie über emanzipation, wo sehen sie sich in der gesellschaft. und wir kommen zu dem schluß: es gibt noch viel zu tun.

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Willkommen in Lake Success (Hörbuch)

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vorweg: das habe ich nicht zuende gehört. zu langatmig, schwafelnd, ohne ziel und unterhaltung. es geht um einen reichen broker, der seine lebensgeschichte aufarbeitet, während er bus fahrend vor seiner frau flieht. der new york times-bestseller ist irgendwie politisch, aber auf einer sehr verkopften ebene und als europäer schwierig zu dechiffrieren. ähnlich erging es mir beim buch Kleiner Versager vom selben autor.