Radio Heimat: Geschichten von zuhause

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mein erstes richtiges ebook, war ganz ok. ein paar wirklich gute begebenheiten und viel lokales aus dem ruhrgebiet. viel kindheit und jugend in den siebzigern und achtzigern. erfrischend, mal nicht über berlin zu lesen.

[xrr rating=7/10]

ösis außer rand und band

“Mein Österreich, was äst nor aus där geworden? Da verstärbt der verdiente Kamerad Haider, der meine Arbeit ja ämmer sehr zo schätzen wosste. Ond was macht ähr, Österreicher? Wädmet ähr ihm etwa einen Haider-Gedenk-Feiertag? Ein Haider-Stadäon? Eine Haider-O-Boot-Flotte? Neien! Sondern einen Haider-Abreisskalender! För schlappe 1,90 Euro! Hnnngg! Warrrom nächt gleich eine Haider-Wackelkopfpoppe? Ähr Klappspaten!” (extra-3)

history repeats itself: österreich, du machst dich gerade lächerlich.

ein lockenkopf erklärt die welt. heute: introduction. aber richtig.

prologue:

wir lieben serien. und wir lieben den hölzernen schreibstil. hier wird angespielt statt groß erklärt und wems nicht gefällt, der klickt sich eben weg. so geht das. an dieser stelle also regelmäßig die ganz persönliche sicht der dinge. kommentare zum weltgeschehen quasi. vollmundig und voll persönlicher meinung. die fakten verstecken sich woanders oder müssen sich der subjektivität beugen. getreu dem motto: glaube nur dem geschreibsel, was du die selber ausgedacht hast. und weil es sonst ein wenig fadenscheinig daherkommen würde, finden wir auch schnell den fachbegriff für solcherart blödsinn: déformation professionnelle. so geht das. ein französischer terminus gibt der sache den quasi-intellektuellen anstrich und betont (kaschiert!) autors unwissenheit.

doch kommen wir zum eigentlichen. thema heute: wie gefalle ich dem volk, mache mich lächerlich unter den aufmerksamen und werde zum meinungsführer über den schwachsinn? herr gauweiler von der CSU schafft das mit nur einem satz und katapultiert sich an der spitze des nonsens. und wenn es nicht so bitter wäre, könnte man auch noch lachen. so sagte er tatsächlich und meinte es offenbar ernst:

deutschland wird in der münchner u-bahn verteidigt, am bahnhof zoo in berlin und in der frankfurter innenstadt

soso. german leitkultur in reinstform. für solche sätze kämpften unsere soldaten in stalingrad und in nordafrika und die heimatfront musste sich entnazen lassen. erst schicken sie uns tausende von migranten, die bekommen auch noch kinder und dann nehmen sie uns die d-mark weg. und jetzt haben wir den multikultisalat und die gewalt im öffentlichen nahverkehr. jahrelang trauten wir uns nichts zu sagen, doch herr gauweiler (was ist das eigentlich für ein symphatischer name? – da kommen doch erinnerungen hoch!), der herr gauweiler jedenfalls schaut dem schrecken ins angesicht und reißt ihm die solzialromantische maske runter. chapau! sagen wir da, klatschen eifrig beifall und heben unseren rechten arm zum gruß.

heimatreise

bin gerade ein paar tage zuhause gewesen. klingt absurd. also anders: bin gerade für ein paar tage in der heimat gewesen. klingt schon besser. heimat ist wohl meist dort, wo man aufgewachsen ist. seinen ersten rülpser getan, sein erstes bier getrunken und das erste mal händchen gehalten hat. ob man später irgendwann zurück in die heimat will, hängt stark von einem selbst ab und ist keine hinreichende bedingung für heimatgefühl.
mir jedenfalls reichen ein paar tage im jahr. aber dafür kommen dann die erinnerung umso konzentrierter und plötzlicher wieder und scheinen einen zu erschlagen. man färt mit dem auto über die dörfer ( bin ja eher so der provinz-heini ) und entdeckt die stellen, mit denen man erinnerungen verbindet. dabei werde ich immer ein bisschen melancholisch, nachdenklich und schweige erstmal mürrisch vor mich hin.
anderseits ist es auch witzig, in den alten trott zu verfallen. zu sehen, wie verinnerlicht die früheren denkstrukturen eigentlich immer noch sind. da habe ich ernstlich überlegt, mir ein auto zuzulegen! so ein quatsch. oder im elterlichen haus abends heimlich am fenster zu rauchen. wie aufregend! den nachbarn zu grüßen und einen smalltalk nach streng festgelegten regeln zu halten ( in berlin gibts dafür was auf die fresse ).
überhaupt die menschen, die offenbar noch genauso leben wie vor ein paar jahren. die zurückgebliebenen. die es nicht geschafft haben. oder wollten sie es nur nicht? kann ja nicht jeder wegziehen. wird ja dann nur voll irgendwo und irgendwo anders leer. so ganz logisch gedacht.
warum ist das nur so? woran liegt das wohl und geht es den geneigten lesern da genauso?

ein vierteljahrhundert später….

wir waren fünfzehn. trafen uns meist im schulpark oder auf dem busplatz und tranken bier. rauchten uns die lunge aus dem leib und quatschten blöde. probleme gabs genug. in der schule. unter freunden. mit den frauen. und überhaupt. zum vögeln waren wir zu schüchtern. aber prügeln konnten wir uns. und über philosophie spekulieren. da waren wir groß drin. einer hatte ein handy. und obwohl wir ihn heimlich bewunderten, verkloppten wir ihn. so geht das. dachten wir. die zeit wollte einfach nicht vergehen. immer dasselbe. samstag vormittag saßen wir auf der bank in der großen stadt, schauten den passanten und vor allem frauen nach und dachten uns geschichten aus. wo sie herkamen, wo sie hinwollten und was sie dachten. wir hatten eine scheiß wut auf studenten, besonders langhaarige, die scheinbar mühelos die frauen abschleppten. für clubs und diskos und drogen waren wir zu verklemmt. also saßen wir meist rum und tranken. besoffen vor glück und mehr alkohol als nötig fielen wir dann ins bett im kinderzimmer. überhaupt die kinderzimer! sie waren ausdruck unseres anarchistischen gedankenguts, vollgestopft mit reliquien aus der geschichte des kommunismus und anarchismus. was waren wir stolz auf die fahnen aus dem EMP-Katalog. fühlten uns wie CHE persönlich und lernten halbherzig spanische revolutionsvokabeln. hasta la victoria siempre! andy warhol, the doors und der ganze scheiß. fünfzehn eben. zum glück gabs damals noch keine blogs, kein myspace und kein youtube. so ist alles verschollen. besser so.

zehn jahre später sieht alles anders aus: ich sitze freitag abend zuhause und ordne mein leben: krankenkasse, dsl-vertrag, arbeitszeiten, ebay, todo-liste, nebenkostenabrechnung, vattenfall,…

scheiße. was ist passiert? ist das noch normal? irgendwas muss ich doch in all den jahren falsch gemacht haben. manchmal würde ich mich gerne in den schulpark setzen und über philosophie reden. einfach so. ohne groß irgendwie bescheid zu wissen. aber das ist wohl vorbei. muss ja weitergehen. wa?

[direktes update zu dem hier]