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Plan D (Hörbuch)

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deutschland 2011, den mauerfall hat es nie gegeben, stattdessen eine wiederbelebung, die teilung und die mauer sind immer noch. kurz vor den entscheidenden verhandlung über energielieferverträge zwischen beiden deutschen staaten wird ein mann aufgeknüpft gefunden. kommissar wegener ermittelt, verstrickt sich, wird beobachtet. denn obwohl sich die ddr so offen gibt und ihm sogar westliche ermittler zur seite stellt, existiert die stasi noch und weiß über jeden seiner schritte bescheid. nebenbei trauert er seiner verflossenen hinterher, trifft sie manchmal, liebt sie immer noch. und seinem verschwundenen freund und kollegen, dessen stimme immer wieder in seinem kopf auftaucht. und immer wieder vertrickungen des bnd und der stasi, wunderbare agenten-story.

neben der story immer wieder wortschöpfungen, die handys heißen alle minsk, die sms tnt, usw. gändert hat sich nicht viel in diesem staat, exemplarisch folgendes zitat:

…freute sich […] am anblick der deutschen demokratischen republik. konnte ihre exotische hauptstadt plötzlich bewundern, wußte die schäbige größe, den geschmacklosen gigantismus zu schätzen, war ergriffen von ihrer anonymität und entstelltheit, von ihren krustigen narben, von der alles bedeckenden patina aus rost, moos, schmutz und fett, atmete ihren abgewrackten reiz durch die doppelgasscheiben der eastside-fassade, hörte das morbide herzklopfen aus s-bahn-quietschen, motorengeknatter und der dumpfen stille fernsehturmtiefer tauchgänge in die dunklen abgründe einer zerfallenden metropole, schmeckte zwischen den ednussbröseln die öligen vobus-abgase heraus, roch sogar den zitrus-staub-bohnerwachs-charme des stasi-entres, das frischegmähte gras von marzahn, karolinas kunstblumiges action-deo. wegener roch sein ganzes land, den schimmeligen muff der schwitzenden altbauten, das unbeholfende und zurückgeworfene der jugend, die selbstzerfleischung der oppositionellen, das poröse und halbgare der produktionen und vebs, das selbstherliche der staatlichen inszenierungen, die mandelbittere frustration einziger kämpfer, die überteuerte sauergewordene westsahne in den intershops, das eiserne mistrauen der überwachten, die speckigen plastikjacken und pelzkrägen der alten, den blassen duft von nautikseife, das harzige, baumwollverstärkte phenoplast der vobusse, die nussige intimwaschlotion ivette, er roch kassler, broiler, soljankas, bino-soßenwürfel, würzfleisch, thüringer klöße, leipziger allerlei, letscho, die feuchten füße junger frauen in braunen esala-kunststoffstrumpfhosen, den pilz zwischen ihren zehen, die nässe ihrer haarigen achseln und mösen, er roch die blassen arschritzen des politbüros, die fade und ausgelutschte allmacht der schnüffler, die trügerische sicherheit der arbeiter und bauern, den grünspan aller zerfressenen leninbrozenzen, den schwarzweißen taubenkot auf dem palast der republik, er roch das unweigerliche ende, das langsam näher kam und noch so weit entfernt war… [zeichensetzung von mir, habe nur das hörbuch zur hand]

erinnert ein wenig an robert harris’ vaterland, nur ohne amerikaner, dafür mit mehr berlin. absolut lesens- oder hörenswert. punktabzug, weil manchmal ein bisschen zu ostalgisch.

[xrr rating=6/7]

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Semesterferien

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Blogg dein Buch-LogoDisclaimer: Das besprochene Buch wurde mir freundlicherweise vom Unsichtbar Verlag zur Verfügung gestellt und ist Bestandteil von Blogg dein Buch.


Cover Semesterferien von Christoph Straßer

Ein paar Tage im Leben der drei Freunde Platon, Lakai und Jim. Das Semester ist gerade rum, man hat Ferien, es ist Sommer und man lässt es so richtig krachen. Alkohol bis es weh tut, Partys, Frauen. Und doch ist alles nicht so einfach. Lakai arbeitet, geht schon länger nicht mehr zur Uni und hat eine derbe Sinn- und Lebenskrise. Aus der studentischen Leichtigkeit ist längst Schwermut und Weltschmerz geworden. Platon verliert seinen Job, muss sich was Neues suchen und landet – wie sollte es auch anders sein – in einem Call Center. Jim macht ziemlich viel nebenbei, selbst seine Freunde wissen es nicht so genau und der Leser bleibt auch im Unwissen.

Die Story besteht aus Dialogen, Gedanken und den Erzählungen von rauschenden Kneipentreffen. Spitzt sich am Ende zu und endet, als das neue Semester wieder beginnt. Dazwischen immer wieder Lebensweisheiten und Altkluges:

“Warum sich gegen Dinge wehren, auf die man sowieso keinen Einfluss hatte, überlegt er. Der Gedanke an ein Zechgelage mit seinen Freunden versetzte ihn zwar jetzt nicht in Ekstase, aber Platon und Jim würden ja doch keine Ruhe geben, bis sie ihn überredet hatten.” (S.17)

Sprachlich nicht unbedingt der große Wurf, dafür transportiert dieser legere Stil ganz gut das Lebensgefühl und trägt den Leser bis zur letzten Seite. Denn die Story ist nicht besonders überraschend. Vielmehr sind es die drei Protagonisten, die das Buch interessant machen. Ihre Entwicklung, ihre eigenen Geschichten und Lebensentwürfe:
Platon beispielsweise ist Kind griechischer Eltern, wird von ihnen nicht unterstützt und hat auch keinen Kontakt mehr. Dementsprechend viel muss er nebenbei arbeiten, beklagt sich jedoch nicht. Als er dann seine quasselnde Nachbarin Rebecca näher kennen lernt, scheint das Glück vollkommen. Ganz nebenbei hat er ein gehöriges Gewaltproblem, scheinbar wahllos verprügelt er Menschen und sammelt zuhause ihre Ausweise – vielleicht das Skurrilste an dem ganzen Buch.
Lakai dagegen versinkt immer mehr in Selbstmitleid, kann erst seine negativen Gefühle nicht einordnenden und kapselt sich dann ganz ab. Bis er am Ende nur noch eine Lösung sieht.
Jim ist die schillerndste Figur, bleibt aber merkwürdig eindimensional.

Ein gutes Buch, hinter der lauen Oberfläche des Studentenlotterlebens werden hier existenzielle Fragen aufgeworfen. Freundschaft ist ein großes Thema, genauso wie die Suche nach dem Platz im Leben.

[xrr rating=4/5]

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Sechs Österreicher unter den ersten Fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (Hörbuch)

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Stermann hatten wir ja schon öfters (hier, hier), nun erzählt der gebürtige Düsseldorfer, wie er als junger Mann nach Wien ging und sein Glück suchte. Wie er ein ums andere Mal Oachkatzlschwoaf aufsagen musste, wie er der Wie-spät-ist-es?-Frau die Zeit ansagen musste. Wie er versucht, zur Fußball-EM 2008 ein Geburtstags-Kicken für seinen Freund zu organisieren. Und noch viele weitere Episoden aus dem deutsch-österreichischen Zusammenleben. Das muss man einfach mögen.

[xrr rating=9/10]

Symbolbild: Österreich im Schiffsverkehr (Berlin, 2006)

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Liebesgrüße aus Deutschland (Hörbuch)

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Kaminer schreibt in bewährter Qualität über die deutsche Seele, ob es nun um Kleinigkeiten wie Aktenordner geht oder um das ganze Gesundheitssystem, um Münster im speziellen oder das Land der Ideen im allgemeinen – stets hat er einen etwas anderen Blickwinkel auf die Dinge. Dazwischen immer wieder Vergleiche mit seiner früheren Heimat Rußland. Das ist Culture-Clash auf hohem Niveau (denn er schließt immer vom speziellen aufs Allgemeine) oder einfach nur gut Unterhaltung.

[xrr rating=8/10]