wir sind alle boatpeople

die sache mit marokko war indiskutabel geworden, wir wähnten uns in der hölle und flohen. aber wohin? umgeben von hunger, despotismus und / oder aufruhr blieb uns nur die flucht übers mittelmeer.

Schiff _Dr. Ingrid Wengler_ in der Spree in Berlin (August 2008)

wir gingen zu den Career-Days eines kreuzfahrschiffs und da wurde uns bewußt, dass wir zu alt waren. für diesen und so manchen anderen job. wir trieben uns im hafen herum und hofften, per Alkohol, List oder Gewalt zum dienst auf ein schiff zu kommen.

allein, es half nichts. niemand beachtete uns und niemand nahm überhaupt notiz von uns. völlige verzweiflung nahm uns in den besitz. wand ihre knochigen krallen um unsere hälse und drückte langsam, aber todsicher zu. wir hatten kaum noch geld, hungerten und unsere hygiene leidete außerdem, wir stanken. kurzum: ein höllentrip.

kurz vor unserem ende fanden wir zuflucht bei korrupten afrikanischen schleppern. eingepfercht auf einem unglücklichen seelenverkäufer suchten wir unser glück. die see war unruhig und die nahrungsvorräte knapp. dunkel wars, doch nur nachts konnten wir den europäischen patroullien entgehen.

Ausflug auf der Spree (August 2008)

karl-theodor schimpfte die ganze zeit, schwitzte und kotzte, sein kalter sprossen-entzug nervte die crew. doch was sollten wir auch machen? dominique und jörg streiten sich die ganze zeit, noch ist unklar, was wir bei unserer ankunft tun werden und ob es überhaupt eine ankunft geben wird…

fortsetzung folgt…

Fin de siècle

Der Domainenkontrolleur war stinksauer, musste er doch wieder von seiner Routine abweichen und Warnstufe zwei ausrufen. “Katzenkontent: Es stinkt nach Katzenpisse im Getriebe, Herr” brüllte er in die Gegensprechanlage zum Kontrollzentrum. Auch dort war man nicht amüsiert und runzelte die Stirnen. Aber alles stöhnen half nichts, entsprechende Gegenmaßnahmen mussten eingeleitet und die präzise ausgearbeiteten Notfallpläne angestoßen werden. Rotes rotierendes Licht leuchtete auf, versetzte den Raum in ungesunden Dämmer. Ohne Grund eigentlich, nur um die Situation zu verdeutlichen. General Triebfeder betrat leicht außer Atem das Kontrollzentrum, knöpfte sich seine Uniform zu und bat um Rapport. “Das Getriebe weist Anomalitäten auf, Herr.” – “Was soll das heißen – schon wieder Katzenpisse?” – “Ja, Herr” – “Sofort anhalten und säubern” – “General, wir können das Getriebe nicht stoppen” “Was soll das heißen? Das haben wir doch immer so gemacht.” – “Ja, aber seitdem wir den neuen Kybernetischen Traummolekülator x45 haben, können wir das Getriebe nicht mehr anhalten.”

karl theodor hat zuviele sprossen gemampft und phantasiert nun wild im schlaf. kompostposttraumatisches belastungssyndrom lautet die diagnose. und wir angehörigen leiden mit. er lässt sich auch nicht ansprechen und reagiert nicht in seiner trance. wir sind besorgt, der arzt kennt auch kein gegenmittel, empfiehlt nur die sprossen abzusetzen und stattdessen wieder mehr gurken und tomaten. wenigstens profitiert unser freund und kamerad von seiner auslandskrankenversicherung, die zusatzbeiträge hatten wir noch schnell überwiesen. er muss nicht arbeiten und verbringt seine tage bei den tuaregs im zelt.

Symbolbild: Anonymität (August 2008)

dominique hat schon wieder schluss gemacht mit seiner freundin, sie verlangte immerzu geschenke. er ist nun aber durch und durch antimaterialist, das sagte er ihr auch: “ich bin antimaterialist und somit gegen deinen übertrieben materialismus im speziellen und gegen materie im allgemeinen” – sprachs und löste sich in luft auf, um ganz woanders und zu einer anderen zeit wieder aufzutauchen. wahrscheinlich.

jörg ist sauer auf uns will nun doch wieder zurück. wir langweilen ihn, er hat angst, sich anzustecken und überhaupt nervt ihn die arbeit und vor allem das wetter. marokko bietet wenig abwechslung und überraschung. wenig regen, viel sonne und ab und zu mal ein scirocco – er könne so nicht arbeiten, verkündet er in breitestem hessisch. dabei hat er sich extra ein paar wetterstationen gebastelt und im camp verteilt.

Symbolbild: Robotik (Mai 2009 in Nürnberg)

unseren abiball, den wir über einen dubiosen veranstalter buchten, können wir jetzt auch vergessen – es ist zum heulen, wir hatten uns so drauf vor bereitet und das ganze geld ist nun auch pfutsch. kein wunder, dass wir alle ziemlich angeschlagen und abgenervt sind…

... auf abifahrt (Mai 2008)

fortsetzung folgt….

(k)ein urlaub

blöd gelaufen, erst hatten wir jörg aus der u-haft befreit, dann wurde er freigesprochen. doch da war es schon zu spät, wir saßen im flieger nach marokko. es gab kein zurück mehr. in rabat erwartete uns dann eine böse überraschung: unser reisebüro hatte mist gebaut und wir wurden nicht von der fremdenlegion begrüßt, sondern von einem zwielichtigen gemüsebauern, der uns seitdem als billige aushilfskräfte missbraucht. seitdem die da alle revolution machen, ist das angebot an willigem und billigem humankapital eingebrochen. und die forderung nach einem mindestlohn macht die zukunftsaussichten auch nicht rosiger. wir hatten also mitleid mit unserem gemüsebauern, wir kapitalisten müssen eben zusammenhalten und so kann man auch nicht von einem missbrauch sprechen. von idealen arbeitsbedingungen aber auch nicht. immerhin werden wir überdurchschnittlich bezahlt und obendrauf gibts eine wochenration zoich – hier im kiffgebirge rifgebirge einfacher zu bekommen als in amsterdam. entsprechend gut ist die laune unter uns männern. zwar vermissen wir unseren benz – den mussten wir in mannheim zurück lassen. doch die arbeitswege sind kurz, wir wohnen bei den tuaregs im zelt, am anfang war das nicht einfach, weil der waffenbesitz uns doch etwas befremdet hat, aber man gewöhnt sich schnell an die örtlichen sitten.

kartoffelernte in der domäne dahlem (september 2006)

die arbeit ist anstrengend, manchmal 14 stunden pro tag, das schnafft nicht jeder. jetzt gerade ist sprossen-saison, karl theodor kann gar nicht genug davon bekommen und steckt sich immer was in die schlüpper für den feierabend. jetzt gerade kaut er wieder eine handvoll. dominique ist glücklich und hat schon eine freundin gefunden. wir sitzen in unserem zelt, während ich diese zeilen tippe. es riecht süßlich und wir lachen über unsinniges. gleich gehts ins bett, der tag war anstrengend und morgen gehts wieder raus. keine ahnung, wie lange wir das noch durchhalten. ein paar tage, wochen, monate? vielleicht bleiben wir auch länger – jörg ist zwar frei, hat aber keine lust auf die deutsche öffentlichkeit und sein ausbruch wird auch nicht straffrei bleiben…

fortsetzung folgt…

Die Versklavung der Funkmasten

[…]
Quelle

Wenn ich als Funkmast mal was dazu sagen darf: Versetzt euch doch mal in meine Lage, ihr würdet auch auf die Barrikaden gehen. Da steht man doof in Gegend rum – im Regen, in der Kälte – und keiner dankt einem. Noch dazu muss man ständig die schweren Schüsseln und Sender schleppen. Ihr wollt keine Funkmasten in eurer Nähe, weil die Funkwellen evtl. Kopfschmerzen verursachen könnten? Was soll ich denn sagen? Wenn Schweine in Massen gehalten werden um den Preis zu drücken, flippen die Grünen aus aber unsereins wird achtlos auf Dächer geschraubt oder mit Drahtseilen in der Landschaft verankert, teilweise dicht an dicht, damit ihr billig telefonieren und surfen könnt und keinen interessierts. Wir haben euch jetzt ein Ultimatum bis 2013 gesetzt. Auch wir wollen Rechte. Seht ab und zu mal zu uns auf und sagt: “Danke, ihr lieben Funkmasten. Danke dass ihr unser Leben besser, komfortabler macht. Danke dass wir nicht mehr zu unseren Freunden laufen müssen um zu fragen ob sie Zeit und Lust haben etwas zu unternehmen.”
Seht ab und zu mal von euren Displays auf, ihr Handy- und Smartphonebesitzer, sonst habt ihr bald nur noch einen teuren MP3-Player.

Freiheit im Kopf

Für immer weg, das möchte ich sein.

Irgendwann will jedermann raus aus seiner Haut. Irgendwann denkt er dran, wenn auch nicht laut.
* Renft, “Als ich wie ein Vogel war”

Ja, das sind Zitate die doch wirklich jedem irgendwann mal in den Sinn kommen.
Einfach mal ausbrechen. Raus. Raus aus dem Dreck, dem Stress, dem Trott, der Hektik. Weg von den vielen Menschen, der Arbeit, der Zivilisation. Das kotzt mich momentan alles an. Ich will es nichtmehr ertragen müssen. Einfach mal raus. Nicht für immer, aber ein paar Tage oder Wochen. Das wär mal was.
Einfach in den Tag hineinleben. Unterwegs auf endlosen Wiesen, ab und zu kommt ein kleiner See in dem man rumplantschen kann, man ernährt sich von Früchten oder fängt sich mal einen Fisch, den man dann über einem Lagerfeuer grillt. Man schläft unter freien Himmel, es ist angenehm warm, die Luft ist sauber und nachts hat man einen umwerfenden Blick auf die Sterne. So ähnlich wie man es aus manchen alten Märchenfilmen kennt.

Toll wäre auch eine Fahrt auf der Route 66 in einem alten Ami-Schlitten – natürlich ein Cabrio. Im Radio läuft Creedence. Und man fährt so vor sich hin, ab und zu kommt mal ein anderes Auto oder eine Tankstelle. Auch eine tolle Vorstellung.
Solche oder ähnliche Tagträume kennt wahrscheinlich jeder und irgendwie retten sie einen manchmal über den Tag.

Freedom is just another word for nothing left to lose.
* Kris Kristofferson, “Me and Bobby McGee”

http://www.youtube.com/watch?v=fCbq40M_Ti0

Und hier noch das Original:
http://www.youtube.com/watch?v=6Ah_WAHZNYg