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Raum (Hörbuch)

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2013-03-11 18.35.16

Erinnert stellenweise an Murakamis 1Q84. Aus der Sicht eines Fünfjährigen wird die Geschichte eines Missbrauchsfalls erzählt. Seine Mutter wurde als Neuzehnjährige entführt und in Raum eingesperrt, einem kleinen Schuppen ohne Fenster. Dort wird sie regelmäßig von ihrem Peiniger Old Nick missbraucht und bekommt einen Sohn von ihm. Der wächst nur in Raum auf, abgeschnitten von allem und jedem, kennt nur seine Mutter, selbst Old Nick ist nur ein Schatten für ihn.

Das Buch endet nicht nach der befreienden Flucht, es wird erzählt, wie es Mutter und Sohn danach ergeht zwischen Medienrummel, Depression und Resozialisierung.

Beeindruckend, bedrückend, beklemmend, einfühlsam.

[xrr rating=9/10]

Der Verlagstrailer:
[youtube MlMmkcCz6-0]

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Der Bundesdenker und die Kopftuchmädchen: Entwirrungen zu Thilo Sarrazin (Hörbuch)

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kabarettisten setzen sich mit den sarrazinschen thesen auseinander. das ist bissig, differenziert und macht eher nachdenklich als dass es unterhält. da die texte von unterschiedlichen autoren stammen, ist auch die qualität unterschiedlich – nicht alles ist gut oder logisch, manches will gar nicht zum thema passen. aber einige perlen sind dabei. kann man hören.

[xrr rating=7/10]

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Balkan bittersüß. Abenteuer Alltag in Bosnien-Herzegowina

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Blogg dein Buch-LogoDisclaimer: Das besprochene Buch wurde mir freundlicherweise vom Dryas Verlag zur Verfügung gestellt und ist Bestandteil von Blogg dein Buch.


Danijela Albrecht: Balkan bittersüß - Cover

Kein Reiseführer, nicht mal Reiseliteratur. Viel weiter geht das Buch und berichtet aus dem Alltag einer großen Familie in Bosnien-Herzegowina. Aus dem Blickwinkel der Autorin, die nach Studium in den USA nun in Deutschland lebt, aber ihre Herkunft nicht verleugnet, regelmäßig ihre Familie besucht und uns mit diesem Buch die Traditionen, Bräuche und Gefühlslagen ihrer Verwandten näher bringt. Es ist ein persönliches Buch, wir sind bei einer Hochzeit dabei, betrachten die Kriegsspuren in der Landschaft und in den Menschen. Sitzen mit am Küchentisch, trinken Kaffee und lassen uns von Baka, der Oma, die Welt erklären. Wir pilgern, erleben die Reaktionen des Dorfs auf eine uneheliche Schwangerschaft und fahren trotz aller Bedenken der Familie nach Sarajevo.

Die große Politik, Geschichte, der Krieg, die Flucht, all‘ das ist natürlich immer präsent, aber immer dezent im Hintergrund. Klar, hat der jüngste Krieg Spuren hinterlassen, vor allem in den Menschen, in den Männern. Frau Albrecht hält sich jedoch mit Meinung zurück, versucht nur zu berichten, so etwa:

Ihr Onkel sagt:

“Der Krieg ist beendet und wir werden Schritt für Schritt alles wieder aufbauen. Aber wer wo ist – die Aufteilung der Regionen durch die internationale Gemeinschaft – das bleibt nicht so. Der nächste Krieg wird kommen, das ist sicher wie das Amen in der Kirche. Weißt du, im Krieg ist es wie im Fußball: Nach dem Krieg ist vor dem Krieg.”

Darauf sie:

“… dachte ich über seine Worte nach und hoffte, mein verrückter Onkel möge dieses Mal nicht Recht behalten.”

Die Geschichte endet mit einem Ausflug zu einer Berliner BalkanBeats-Party. Wo Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft zu orientalischen und südosteuropäischen Klängen abgehen. Wo die Nationalität vielleicht nicht egal ist, aber zurück tritt und nicht so eng und stur darauf beharrt wird.

Und obwohl Frau Albrecht offenbar mit dem westlichen Bild des entspannten und lässigen Südosteuropäers (vgl. dazu bspw. den Film “Schwarze Katze, weißer Kater”) aufräumen will (will sie wirklich?), bestätigt und bestärkt sie das Bild: Alles wird mit einer Leichtigkeit genommen, die dem Mitteleuropäer manchmal fehlt. Nema Problema wird zum Imperativ und nervt die emigrierte Autorin so manches Mal. Andersherum ist die Verwandtschaft erschreckt ob der Verwestlichung ihrer Tochter – kein extra starker bitterer Kaffee am frühen Morgen? Kein fettiges Fleisch? Das ist wohl der Preis der Migration, dass man seine Wurzeln nicht abtrennen kann und sich gleichzeitig entfremdet. Und wird hier eindrucksvoll beschrieben.

Das Buch will nur berichten, nichts bewerten, verurteilen, besser machen. Und das macht es lesbar und zu einer Leseempfehlung.

[xrr rating=4/5]

-> Buch direkt beim Verlag bestellen.

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Meine Jahre mit Hamburg Heiner: Die Logbücher (Hörbuch)

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regener hat in den vergangenen jahren für verschiedene seiten gebloggt und liest diese einträge nun vor. das klingt erstmal ziemlich fad’ und wäre es vermutlich auch, wenn nicht hamburg-heiner alle nase lang anrufen würde und über eben jene blogeinträge reden würde. die metaebene mit der spitzen zunge eben. und auch wenn regener nicht immer lust hat zu bloggen, so tut er dies voller hingabe zum wort, zum satz. jede zeile ein kleines wunderwerk des denkens, banal, pointiert, witzig.

jetzt kann man ihm vorwerfen, eine zusätzliche geldquelle aufgetan zu haben, um noch mehr einnnahmen zu generieren durch zweitverwertung. aber selbst wenn es so wäre: es ist großartig und hat sich auf jeden fall gelohnt. und vorgelesen von ihm selbst mit verschiedenen stimmungen, papierrascheln und norddeutscher schnoddrigkeit: genial.

[xrr rating=10/10]

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Wittgenstein

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Blogg dein Buch-LogoDisclaimer: Das besprochene Buch wurde mir freundlicherweise vom Hablizel-Verlag zur Verfügung gestellt und ist Bestandteil von Blogg dein Buch.


Raouf Khanfir: Wittgenstein

Marco H. hat seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden, sucht aber auch nicht besonders energisch, wohnt in Montreal und berichtet über seine merkwürdigen, beinahe unsichtbaren Nachbarn. Finanziell abgesichert genießt er das Leben ohne großem Konsum und Anspruch. Eine Erbschaft zwingt ihn, seine Zelte abzubrechen und in die südwestfälische Provinz zu ziehen. Kurz vor seiner Abreise beichtet ihm sein Nachbar in einem Brief, dass er sämtliche Mieter systematisch und komplett überwacht. Marco H. nimmt es zur Kenntnis, wirkt aber nicht sonderlich überrascht, er zieht ja weg.
In Bad Berleburg, genauer: in Schüllar, befindet sich seine Erbschaft, ein kleines Häuschen, dass er ein bisschen renoviert, aber ansonsten so lässt, wie seine Großtante Emma es ihm hinterlassen hat. Er sucht nach Spuren von ihr, spricht mit Bildern auf denen sie abgebildet ist. Inzwischen hat er auch Kontakt zu Anne, die ihm das Leben vor Ort erklärt und ihm einen Job in der Taxizentrale am Bahnhof besorgt.
Zwischendurch erzählt auch immer wieder ein anderer, einer, der des nächtens Leute auf den Landstraßen überfährt. Man spricht schon von einer Serie. Klar, dass Marco H. anfängt sich Gedanken zu machen. Und Vermutungen hat, besonders seine drei Taxifahrer-Kollegen beäugt er misstrauisch.

Die ganze Geschichte ist befreit von jeglichen störenden Details, die Figuren haben keine Nachnamen, wir erfahren wenig über Vorgeschichte, familiäres, dafür viele Gedanken, Gefühle, Träume. Die Dialoge sind minimalistisch, ohne großes Gelaber. Oder, wie es im Epilog heißt:

Du sagst es nicht, weil es dich anstrengt, die gedachte Bemerkung zu machen und das sich anschließende Gespräch tatsächlich zu führen.

Die Story entwickelt sich langsam, tritt aber stets höflich in den Hintergrund, wenn der Erzähler über die jeweilige Gedankenwelt reflektiert. Es ist kein klassischer Krimi und viel gestorben wird auch nicht. Die Handlung wird linear erzählt, immer nur aus den zwei verschiedenen Perspektiven.

Ein bisschen hölzern fühlt sich das beim Lesen an, dieser Stil, immer wieder wohlformulierte Sätze einzustreuen, wie etwa:

Und es gibt tatsächlich nicht ein Wort für den nichtigsten unter den Gerüchen, die sie in dieser Nacht riechen.

Sieht man davon ab, hat man hier Lesevergnügen auf hohem Niveau. Gerade die Reduktion auf das Wesentlichste ist die große Stärke des Buchs. Hier kann man sich Zeit zum Lesen nehmen, hier muss man nicht durch die Seiten hetzen. Nur so mancher Gedanke von Marco H. kam mir etwas weltfremd und realitätsfern vor, aber das kann auch an mir liegen. Ob es gleich ein existenzialistischer Krimi ist, wie der Klappentext es verspricht, nun ja, ein bisschen.

Der sehr gelungene Trailer vom Verlag: