Hier schreibt der Kulturpessimist noch selbst (#9)

Es folgt die Topographie des Terrors. Geschichten, wie sie das Leben schreibt. Ein Leben aber, fernab jeder Vernunft und bar jedes gesunden Menschenverstands. Ein Messebesuch rüttelt an deinem Glauben an das Gute im Menschen, er lässt Dich regelrecht verzweifeln ob der schieren Eleganz von Unvernunft und er zeigt Dir Deine Grenzen. Moralisch und überhaupt. Und das vorneweg: Ich will hier gar nicht über Hannover lästern, denn ich habe Kassel gesehen. Insofern bin ich abgehärtet. Aber nur soviel: Wenn Hochdeutsch sprechen der Preis ist für stadtgewordene Langeweile, dann will ich den Rest lieber grausames Sächsisch sprechen. Soviel jedenfalls steht fest. Aber kommen wir zum Eigentlichen: Eine Messe in Zeiten von Finanzkrise und Abwrackprämie ist dekadent bis grob fahrlässig. Nichtsdestotrotz waren wieder alle dabei und da will ich es mir nicht nehmen lassen, eine kleine Typisierung der Besucher und Aussteller vorzunehmen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Here we go:

  1. Der Aussteller einer kleinen Firma: Er ist der wahre Held der Messe. Stoisch steht er an seinem Stand und harrt der Dinge, die kommen. Er präsentiert sein Produkt und seine Firma so gut er kann und redet den ganzen Tag. Er muss da sein und darf keine Chance verpassen, denn der Stand kostet viel Geld und Umsatz will er auch bringen. Also verzichtet er auf Essen und Trinken und Toilette sowieso, um dann abends totmüde im Billighotel umzufallen. Nächstes Jahr wird er wieder kommen, dass heißt, wenn er bis dahin noch dabei ist. Die Kugelschreiber sind sein Marketinginstrument. Auffällige Kennzeichen: Augenringe, Bartschatten, Anzug von der Stange, nervöser Tick.
  2. Der Aussteller einer großen Firma: Er ist dabei und muss Kontakte bringen, dafür hat er Vorgaben und wenn die erfüllt sind, geht die Party richtig los. Dann wird gefeiert mit den Kollegen und die Kneipenbesuche sind Spesen. Auffällige Kennzeichen: Augenringe von der durchzechten Nacht, entspanntes Lächeln, Gelfrisur und Telefon am Ohr. Man ist wichtig.
  3. Der engagierte Besucher: Er schaut sich alles ganz genau an und lässt sich alles erklären. Geld ausgeben will er nicht, nur so informieren, was der Markt denn so zu bieten hat. Den Kugelschreiber nimmt er gerne und auch das Prospekt. Vielleicht ergibt sich was. Auffällige Kennzeichen: Rucksack für die Werbegeschenke, die abgenervte Familie im Schlepptau.
  4. Der Fachbesucher: Er steuert Stände an, die er sich vorher ganz genau angesehen hat, er weiß was er will und stellt präzise Fragen. Lässt sich aber auch gern ablenken von den jungen Hostessen, Kugelschreiber nimmt er ungern, mit hochwertigen Geschenken lässt er sich aber bestechen. Auffällige Kennzeichen: Aktentasche, dicker Papierstapel und voller Terminkalender.
  5. Der Linuxer: Er geht zu Ständen mit Windowsbasierter Software und führt da seinen Feldzug für offene Standards, er beharrt auf seiner Meinung und ist unbestechlich. Auffällige Kennzeichen: Bart, nachlässige Kleidung, Visitenkarte mit pgp-key.
  6. Die Hostesse: Von Alice Schwarzer hat sie noch nie was gehört, sie ist jung und sieht gut aus. Es ist ein Job wie jeder anderer und die sabbernden alten Männer findet sie einfach nur eklig. Auffällige Kennzeichen: Professionelles Lächeln, Kleidchen, Flyer in der Hand.
  7. Der Sammler: Er nimmt alles mit, was irgendwie rumliegt, gern auch mehrere Sachen. Interessieren tun ihn die Firmen nicht, Hauptsache ist, es gibt was. Kugelschreiber gern. Auffällige Kennzeichen: Durchdringender, suchender Blick, große Tasche, krummer Rücken.

Ich könnte ewig so weitermachen und noch mehr Typen beschreiben, allein, es fehlt mir die Lust und ich muss auch ins Bett, denn gleich beginnt der letzte Messetag und es gilt, die letzten Kugelschreiber zu ergattern. Ich wünsche Euch was, doch hütet Euch vor Messebesuchen!


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kurz verlinkt

  • Browserboy: Der innere Obama
    Ja, ich kann aufstehen. Ja, ich kann Kaffee machen und Eier kochen. Ja, ich kann abwaschen, aber ich stells in die Spülmaschine, ja? Ja, ich kann die Spülmaschine anmachen. Ja, ich kann mir die Zähne putzen…
  • tsp: Kabel gekappt: Tausende vom Netz getrennt
    Kein Telefon, kein Internet und selbst die Bankautomaten machen schlapp: rund um den Südwestkorso geht nach dem Missgeschick eines Baggerfahrers bei Bauarbeiten gar nichts mehr.
  • tsp: Castor und Chaoten: Polizei lässt Fußball ausfallen
    Weil Beamte den Atomtransport sichern sollen, müssen Vereine zwei Spiele absagen. Betroffen ist auch das brisante Spitzenduell in Babelsberg gegen Halle.
  • nerdcore: Poll: Echte Zombies rennen oder eben nicht
  • pasQualle: Change
  • tagesanzeiger: Was die Generation Internet ihren Eltern voraus hat
    Eine neue Jugend wächst heran – die «Digital Natives». Diese Webgeneration schickt sich an, unser Leben umzukrempeln. Was sie anders macht und wieso viele sie nicht verstehen.

hier schreibt der kulturpessimist noch selbst (#4): They doin’ the mess around

endlich vorbei. eine halbe woche messeleben geht an die substanz, nagt am guten gewissen und schlaucht das rückenmark. rumstehen, kilometerweise laufen, reden, reden, zuhören und menschen ertragen. zuviele menschen mit zuwenigen problemen auf einen haufen. schlimm sind die aussteller an den ständen, schlimmer die so-called fachbesucher, doch ganz schlimm die jäger und sammler. ständig auf der suche nach gimmicks, werbegeschenken, kulis und infomappen. tüten gabs in allen größen und formen. so viele, dass meist tüten in tüten steckten. ansonsten waren die aussteller sehr knausrig. gut so! oder schlecht. denn nichts ist nerviger als der gemeine mob, der nichts abbekommt. abends dann parties auf den ständen. merke: je schlechter das produkt, desto größer der marketingetat, desto größer auch die standparties. kurz vor der abfahrt noch am hessen-stand geschlemmt und bierchen getrunken. respekt! für ein land ohne regierung funktioniert das super! kümmerlich dagegen die standparty am berlin-brandenburg-stand. im hotelzimmer kein internet, dafür schlechte amerikanische serien im tv. auch mal schön. zurück in berlin und keine bvg, der feedreader platzt gleich und die ungelesene tageszeitung wartet. hört mir auf mit digital lifestyle! seid menschen. und benehmt euch auch so.

[youtube MavllwOuVI0]

hier schreibt der kulturpessimist noch selbst (1) (2)(3)

Jetzt eine unterbewertete Aktie kaufen!

3-Tages-Kursziel: 0,12 EUR

Hintergrund (hier wird ja alles noch investigativ und per hand und so…):

Die Welle der Börsen-Spams sei von den USA nach Deutschland herüber geschwappt, erklärt Kunze. Hinter den dubiosen Aktienempfehlungen stecken professionelle Organisationen, die eiskalte Interessen verfolgen. Die Masche der Spam-Autoren und deren Hintermänner bestehe darin, dass diese vor dem Spam-Versand die empfohlenen Billig-Aktien in hoher Zahl selber geordert haben und die Wertpapiere mit dem Abebben der Welle sofort wieder verkaufen. Der geköderte Anleger ist dann der Dumme, da der gestiegene Kurs sehr schnell wieder falle. Potenzielle Anleger sollten einen weiten Bogen um diese unseriösen Angebote machen und die jeweilige Spam-Mail schnell wegklicken, warnte DIAS-Vorstand Kunze. (quelle)

es wird zeit, umzudenken! anerkennen wir die spam als kulturerbe. zu lange haben wir sie als dreck behandelt! dabei ist sie ein wichtiger teil unserer kultur geworden. sie hat einen festen platz in unserem leben gefunden und ermahnt uns regelmäßig und ausdauernd ob ihrer existenz. sie schafft arbeitsplätze und manchmal ist sie sogar unterhaltend. und mal ehrlich: das konzept ist so neu nicht: es gibt menschen im realen leben die ähnlich penetrant nerven. immer wiederkehren und gegen die gar kein filter hilft.

also seid nett zu euren spams, hebt sie euch auf in einem eigenen ordner, druckt sie aus, zeigt sie euren enkeln. lasst sie am leben! schickt sie weiter! schreibt neue und schickt sie an alle eure freunde. macht was!


WEITERLESEN:
frisch aus der spam-box
reddy for the next generation spam?
bitte recht freundlich
zwischenstand
spaß mit spam, paroli bieten!


was war.

das wars, jetzt kommt nicht mehr viel. zeit also, zurück zu blicken. und weil wir hier sehr dienstleistungsorientiert sind, gibts die zwölf wichtigsten einträge mundgerecht serviert. nach meinem gutdünken selektiert. here we go:

retro

  1. JANUAR: d[r]üseneffekt -> heute nachmittag – der lieblingseintrag der spamhorden. und am meisten geklickt. damals war sturm, besonders in den medien. und es war langweilig auf arbeit. am ende kam ich dann völlig durchnäßt zuhause an.
  2. FEBRUAR: ubahnfahren im fieberwahn IIIIIIIV – fast eine woche quälte ich mich krank auf arbeit und schrob darüber. kann man lesen.
  3. MÄRZ: chaostage hannover [fragmente] – cebit in hannover. ich war dabei und schreibe alles auf. sehr wirr.
  4. APRIL: ging dann los mit dem tagebuch eines innenministers und wurde politisch. das ist es bis heute. wobei ich ein ausgewogens themnsprektrum will aus politik und schwachsinn. kein gegensatzpärchen? na denn…
  5. MAI: inneres zerwürfniss – demonstrieren in zeiten des terrors. eine entscheidungshilfe.
  6. JUNI: bedenkliche nachrichten aus dem netz – flickr wurde böse und das internet verlor ein weiteres mal seine unschuld. trieb mich zeitwesie woanders hin, bin aber wieder zurück. ein bitterer nachgeschmack bleibt. und die erkenntnis, wieviel dynamik eine kritische masse an nutzern schaffen kann. auch negative für den jeweiligen dienst.
  7. JULI: impressiv – ich war im museum und muss darüber schreiben. reflektion 2.0 – so geht das.
  8. AUGUST: aus. vorbei. – der eintrag, als wo das internet starb. aber nur bei mir. manchmal erschrecke ich vor meinen eigenen gedanken.
  9. SEPTEMBER: fear and loathing in bad wimpfen – eine meldung über die Wimpfener Terror-Truppe (WTT), schließt mit der forderung überwachungsstaat! jetzt! so absurd kann das leben sein.
  10. OKTOBER:: strajk! – die bahn streikt irgendwie. aber die züge kommen an. nur später.
  11. NOVEMBER: hier schreibt der kulturpessimist noch selbst – sehr verkopfte abrechnung mit dem begriff flatrate.
  12. DEZEMBER: Hey little world! You know… – einmal mehr gedanken über netzkultur und die nutzer. ansonsten gabs nur weihnachtskalender.