Raouf Khanfir:

Wittgenstein (2011)

Posted on Jul 31, 2011

Blogg dein Buch-LogoDisclaimer: Das besprochene Buch wurde mir freundlicherweise vom Hablizel-Verlag zur Verfügung gestellt und ist Bestandteil von Blogg dein Buch.


Raouf Khanfir: Wittgenstein

Marco H. hat seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden, sucht aber auch nicht besonders energisch, wohnt in Montreal und berichtet über seine merkwürdigen, beinahe unsichtbaren Nachbarn. Finanziell abgesichert genießt er das Leben ohne großem Konsum und Anspruch. Eine Erbschaft zwingt ihn, seine Zelte abzubrechen und in die südwestfälische Provinz zu ziehen. Kurz vor seiner Abreise beichtet ihm sein Nachbar in einem Brief, dass er sämtliche Mieter systematisch und komplett überwacht. Marco H. nimmt es zur Kenntnis, wirkt aber nicht sonderlich überrascht, er zieht ja weg. In Bad Berleburg, genauer: in Schüllar, befindet sich seine Erbschaft, ein kleines Häuschen, dass er ein bisschen renoviert, aber ansonsten so lässt, wie seine Großtante Emma es ihm hinterlassen hat. Er sucht nach Spuren von ihr, spricht mit Bildern auf denen sie abgebildet ist. Inzwischen hat er auch Kontakt zu Anne, die ihm das Leben vor Ort erklärt und ihm einen Job in der Taxizentrale am Bahnhof besorgt. Zwischendurch erzählt auch immer wieder ein anderer, einer, der des nächtens Leute auf den Landstraßen überfährt. Man spricht schon von einer Serie. Klar, dass Marco H. anfängt sich Gedanken zu machen. Und Vermutungen hat, besonders seine drei Taxifahrer-Kollegen beäugt er misstrauisch.

Die ganze Geschichte ist befreit von jeglichen störenden Details, die Figuren haben keine Nachnamen, wir erfahren wenig über Vorgeschichte, familiäres, dafür viele Gedanken, Gefühle, Träume. Die Dialoge sind minimalistisch, ohne großes Gelaber. Oder, wie es im Epilog heißt:

Du sagst es nicht, weil es dich anstrengt, die gedachte Bemerkung zu machen und das sich anschließende Gespräch tatsächlich zu führen.

Die Story entwickelt sich langsam, tritt aber stets höflich in den Hintergrund, wenn der Erzähler über die jeweilige Gedankenwelt reflektiert. Es ist kein klassischer Krimi und viel gestorben wird auch nicht. Die Handlung wird linear erzählt, immer nur aus den zwei verschiedenen Perspektiven.

Ein bisschen hölzern fühlt sich das beim Lesen an, dieser Stil, immer wieder wohlformulierte Sätze einzustreuen, wie etwa:

Und es gibt tatsächlich nicht ein Wort für den nichtigsten unter den Gerüchen, die sie in dieser Nacht riechen.

Sieht man davon ab, hat man hier Lesevergnügen auf hohem Niveau. Gerade die Reduktion auf das Wesentlichste ist die große Stärke des Buchs. Hier kann man sich Zeit zum Lesen nehmen, hier muss man nicht durch die Seiten hetzen. Nur so mancher Gedanke von Marco H. kam mir etwas weltfremd und realitätsfern vor, aber das kann auch an mir liegen. Ob es gleich ein existenzialistischer Krimi ist, wie der Klappentext es verspricht, nun ja, ein bisschen.

Der sehr gelungene Trailer vom Verlag:

https://www.youtube.com/watch?v=iyRVMkb0hvM