Christoph Hein: Das Narrenschiff (Hörbuch) (2025)

ganz schön viel buch (750 seiten, knapp 23 stunden als hörbuch) für so ein kleines land. habe christoph hein noch nie gelesen, aber man kommt wohl nicht drumherum. mehrere lebenslinien werden erzählt, angefangen in der nazizeit bis zum ende der knuffigen diktatur. im mittelpunkt ein funktionär und seine frau, ein ingenieur und seine frau, ein geisteswissenschaftler. sie alle haben die nazizeit unterschiedlich erlebt, in moskau, als nazi, im exil. und kommen nach dem krieg in führende positionen. nicht alle hoffungen und träume und erwartungen werden erfüllt. nicht immer wird glücklich geheiratet. schnell wird ebenso rigeros durchgegriffen und regiert wie in der sowjetunion. drcuk wird ausgeübt und die handelnden - obwohl allesamt in führenden positionen - beugen sich den gegebenheiten. dann die krisen, aufstände, mauerbau. dazu persönliche krisen. kinder kommen und bald auch enkel. irgendwann wird diskutiert und demonstriert und der staat implodiert.

kürzlich hörte ich Schwebende Lasten von Annett Gröschner, auch da ging es biographien im mauerstaat, nur aus einer weiblichen perspektive mit weniger politik. im narrenschiff wird zuviel erklärt, gerechtfertigt, abgewogen. die protagonisten sind alle denkende individuen, handeln aber im sinne einer größeren abstrakten macht (der partei, des zentralkommites, der betriebsleitung, usw.), die sie immer wieder fürchten, im stillen aber kritisieren.

dass sich hein oft nicht an die fakten hält, aber so tut, hat hier der historiker Ilko-Sascha Kowalczuk notiert:

Die offenkundige Gegenwartsenttäuschung verleitet den Gegenwartsautor zu einer historischen Gegenwartsdarstellung, die wenig über die damalige Gegenwart, aber sehr viel über die heutige Gegenwartswahrnehmung sagt.