Geschichten aus einer viel zu großen Stadt pt. 23

U-Bhf Rosenthaler Platz (Dezember 2008)

sonntag nachmittag in der u8 ab hermannplatz richtung wittenau, nach zagen versuchen, sich den 48h neukölln anzunähern: zwei jungmänner rappen ambitioniert wie teenietussis irgend ein lied vor sich her. der langhaarige hipster gegenüber fragt sie, warum sie kein reggae machen. unverständliches. in der anderen ecke der sternburgpunk mit den krampfadern: wippt zu musik aus seinem klobigen walkman und legt ein neues tape aus seiner sammlung ein, die er im jute-beutel mit sich führt. sie alle steigen rosenthaler aus, auch klar. dann an der tür der dürre drogist mit den roten augen, der seinen hund dressiert. an der bernauer dann die tussis in 20er-jahre fummeln. ab gesundbrunnen sind dann alle wieder halbwegs normal. das badstraßenfest hat sich ganz dem kommerz verschrieben, nix kunst, nirgends.

Geschichten aus einer viel zu großen Stadt pt. 18

warschauer, Okt. 2006

Heute Morgen in der U9 Richtung Zoo: Ein nachlässig gekleideter Mann mit dreckigem kleinem Köter steigt ein, zeigt den Hitlergruß und beginnt zu palavern. Sehr laut und aggressiv stellt er sich als Leutnant Soundso mit Hund Robert von der Bürgerwehr vor und schreitet dabei mit großen Schritten von einem Ende der U-Bahn zum anderen. Alle Fahrgäste hören schweigend zu, zeigen immerhin angewiderte Gesichter, sagen aber nichts. Die Beweggründe seiner Bürgerwehr sind schnell erzählt: Man müsse aufräumen mit dem ganzen Pack in Berlin und sauber machen. Und alle die gegen ihn sind, bekommen ein Messer in den Rücken.

Dem offenbar verwirrten Mann schien es Ernst zu sein mit seinen Drohungen. Das ganze war ganz und gar nicht zum Lachen und machte mir ganz schön Angst. Wie verhält man sich in so einer Situation: Brüllt man ihn an, ignoriert man ihn, ruft man die BVG oder die Polizei? Schwierig. Was hättet Ihr getan?

Eine Ringbahnfahrt als journalistische Darstellungsform

Millionenbrücke am Gesundbrunnen

Herr Gideon Böss hat die Königsdisziplin aller Berliner Journalisten und freien Autoren absolviert: Er ist eine Runde Ringbahn gefahren. Und er hat alles aufgeschrieben. Das klingt total spannend und investigativ, nicht. Zu allem Überfluss vergleicht er das kulturelle Leben im Zug auch noch mit den Privatsphäreneinstellungen von Facebook. Dabei kommt er zu einer bemerkenswerten Feststellung:

Verglichen mit der richtigen Welt ist das Internet ein ganz schön verklemmter Ort.

Würde ich sogar unterschreiben. Nicht jedoch seine Aussage, dass Social Networks anonymer seien als eine Zugfahrt. Mehr dazu in den Kommentaren zum Artikel.

ausgestreikt, stimmen dazu:

  • DHM: BVG-Streik 1932

    Vom 3. bis 7. November 1932 kam der gesamte öffentliche Nahverkehr in der Reichshauptstadt durch einen Streik von Angehörigen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zum Erliegen. Verließen Straßenbahnen oder Omnibusse vereinzelt die Depots, wurden sie zumeist von wütenden Streikenden zum Halten gebracht oder mit Steinen beschmissen. Wiederholt kam es dabei zu schweren Zusammenstößen mit Ordnungskräften, in deren Verlauf drei Menschen durch Polizeikugeln starben.

  • wirres: bvg-streik

    am freitag morgen hab ich mir eine zeitung gekauft und mich an die tram haltestelle gestellt um auf die tram zu warten. in der zeitung stand, dass die bvg bis samstag nachmittag streiken würde. ich lobte meine zeitung und bedankte mich bei ihr, indem ich sie in meien jackentasche steckte und zu fuss zur arbeit ging.

  • metronaut: Gewerkschaften macht endlich mal PR!
  • stackenblochen: Liebe BVG,…

rien ne va plus

wir lieben unsere bvg - 1

heute also streik, verkehrschaos, nervenzusammenbrüche, nichts geht mehr bei dem gelben dienstleister. menschen kommen nicht zum malochen, arbeitsverhältnisse enden, familien brechen auseinander, beziehungen gehen in die brüche, kinder entfremden sich, freundschaften werden gekündigt, die soziale temperatur kühlt sich weiter ab, der staat schaut tatenlos zu, zusammenrottungen kopfloser menschen an den haltestellen plündern und zerstören, ziehen marodierend durch die stadt, die letzten infrastrukturen brechen zusammen, öffentliche einrichtungen werden geschlossen, selbst die polizei hat berlin aufgegeben, das kleine bundesland an der spree versinkt im chaos, brandenburg rüstet zum finalen schlag, die pendlerinfanterie ist schließlich schon da, stündlich werden neue übergangsregierungen ausgerufen, es kommt zu straßenschlachten, brennende barrikaden überall, wo man nur hinsieht, wowereit im holländischen exil, momper reitet durchs brandenburger tor, die berlinfahne schwenkend, aber nichts passiert, im reichstag brennt eine toilette (ein abgeordneter hat heimlich geraucht), nach wochenlangem straßenkampf kann die NATO mithilfe von kampfrobotern die situation beenden und die eigentlichen gründe des ursprünglichen streiks kommen heraus:

eigentlich wollte die bvg nur die bezeichnung TRAM aus dem sprachschatz abschaffen…