140 zeichen p0rn

in der aktuellen ausgabe der mindestens haltbar geht es um peinliche jobs in der jugend. das brachte mich auf einen text, der schon lange geschrieben werden wollte:

das bewerbungsgespräch im herzen berlins entpuppte sich als infoveranstaltung. mit dreißig leuten quetschten wir uns in einen kleinen raum voller rechner. an den rechnern saßen dieselben leute wie wir und arbeiteten. kurze einführung ins thema, blabla. ich hab garnicht richtig zugehört. die ersten bewerber standen wutschnaubend auf und verließen grußlos das büro. andere lachten irritiert oder spielten das ist-mir-alles-scheißegal-spiel. es ging um mehrwertdienste per SMS. was diese worthülse bedeutete ging mir dann am ersten arbeitstag auf. ich nahm den job natürlich an, brauchte das geld, freiberufliche festanstellung sozusagen. dann einteilung in schichten und los gings.

am ersten tag sollte ich einer tussi über die schulter schauen und lernen, was man denn so schreibt. was folgte, waren die schrecklichsten stunden meines lebens, guantanamo ist wahrscheinlich nix dagegen. ich sitze also neben einem attraktivem mädel und schaue irritiert auf ihre sätze, die sie ins system hämmert. es sind kurze, knappe sätze. 140 zeichen mehrwert-SMS mit erotischem inhalt. ab 18. irgendwo da draußen in der welt sitzt einer und schreibt für knapp zwei euro eine SMS und die frau neben mir beantwortet sie, ohne gefühlsregung, quatscht nebenbei mit den anderen oder knabbert an ihrer stulle. und ja, ich war verwirrt. mein sexueller horizont erweiterte sich innerhalb einer stunde um 150%.

und dann war ich dran. erst zögerlich, dann voller abscheu, schrieb ich auf, was mir einfiel. im grunde musste man nur das schreiben, was der kunde hören wollte. er gab ja die richtung vor, ich reagierte und meine sätze platzten fast vor geilheit. meistens war ich eine frau mitte zwanzig und zu allem bereit. naja, zu fast allem. ein paar tabus hatten wir schon, kinder und tiere und so. aber ansonsten gings immer rund. die teamleiterin saß mir im nacken und verlangte qualität.

nach einer woche war ich genauso abgebrüht wie die kollegen und schrieb die sätze, so als hätte ich nie was anderes in meinem leben getan. vielleicht hasste ich mich selbst, ob meiner verdorbenheit und unaufrichtigkeit – immerhin glaubten die kunden ja, mit “echten” frauen zu simsen. aber im grunde war mir es nach einer woche egal. es ging ums geld. sehr üppig war der job nicht bezahlt, aber immerhin konnte man rund um die uhr arbeiten gehen. ein paar perverse waren auch dabei mit irgendwelchen abgefahrenen fetischen, aber irgendwann wird auch das normal. und kurioserweise waren auch frauen dabei. dann war ich meist ein mann in seinen besten jahren. klar, oder? einige kunden haben sich verliebt und wurden so zu stammkunden. übrigens war uns auch untersagt, von liebe zu sprechen. ganz in echt! traurig das alles.

aber ich habe es ausgehalten. fast zwei jahre. gewissensbisse? nö. abstumpfung? wahrscheinlich. aber irgendwann wird auch ein arschfick per sms so langweilig wie jeder andere job. arme menschheit.

lasst uns mal reden. über arbeit. pt.1

in den nächsten wochen werden wir uns mit einem wichtigen thema beschäftigen: arbeit. vergangenheit, gegenwart und zukunft der arbeit werden wir beleuchten, alternativen aufzeigen und nach hintergünden forschen. eigentlich wollte ich schon anfang des jahres damit anfangen, aber es kam soviel arbeit dazwischen, deswegen jetzt erst. den anfang macht eine kleine buchbesprechung über arbeit anderswo:


ich habe es verschlungen. es ist weder komisch, auch keine liebesgeschichte, und um kultur gehts auch nicht. es geht ums überleben. die handlung ist schnell erzählt: eine handvoll osteuropäer (und ein afrikaner) machen sich auf den weg nach england um geld zu verdienen. weil es da besser bezahlte jobs gibt. doch schnell merken sie, dass die bessere bezahlung durch reichlich abzüge und windige chefs zusammendampft und die jobs knochenarbeit sind. sie merken schnell, dass sie verheizt werden, das große geld machen andere.

es geht um arbeit, die protagonisten sind hochmotiviert und wollen geld verdienen. nicht illegal, sondern durch ehrliche, harte arbeit. dafür sind sie bereit, jeden noch so miesen job anzunehmen. die miesen “personalvermittler” (aka menschenhändler) nutzen deren situation aus und sind neben den arbeitgebern die profiteure. nicht jedoch die arbeiter.

lösungsansätze bietet das buch nicht, dafür ist es viel zu sehr roman. einmal tritt ein gewerkschafter auf, doch dessen anliegen versteht keiner und er verschwindet ungesehen eine seite weiter. marina lewycka ist eine lesenswerte beschreibung gelungen. eine beschreibung der sehnsüchte, der hoffnung und der verbitterung.

und fährt man im zug oder im bus nach osten oder kommt von dort, dann sieht man sie: die modernen wanderarbeiter, die frauen, die männer. sie arbeiten in ganz westeuropa, teilweise illegal. weil es da jobs gibt, weil da das große geld lockt. arbeitskraft ist schon immer dorthin gegangen, wo arbeit ist, keine frage. die globalisierung und die öffnung des arbeitsmarkts waren da nur katalysatoren. doch zu welchem preis? es leiden die familien und die arbeiter selbst.

ein erster lösungsansatz wäre sicher, die arbeitsbedingungen zu verbessern und die bisher illegalen beschäftigungsverhältnisse zu legalisieren. also eine ausweiterung der arbeitnehmerfreizügigkeit. das würde die arbeit zwar verteuern und damit die produkte. doch letztendlich liegt es auch an uns verbrauchern, die immer billig einkaufen müssen.

meinungen dazu?

Konkurrenz! Karriere! Kollaps!

nun ist es raus: das leben in berlin macht nicht nur glücklicher, sondern auch krank. vor allem rücken und psyche gehen öfters kaputt als woanders. aber dafür leben berliner auch nicht so lange wie beispielsweise schwaben (+3 jahre) und frauen (+5 jahre).

woran das liegt? der tagesspiegels macht es sich einfach und kommt mit den üblichen verdächtigen: “Stress, Bewegungsmangel und Alkohol”, holt tief luft und führt weiter aus: “…Stress im Beruf, Konflikte im Privaten und Alkoholmissbrauch…” und schließt mit einem harten urteil: “Die Experten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer bei Männern aus, da diese dazu neigten, ihre depressiven Symptome zu verleugnen.”

aber das kann nicht alles sein. vor allem der vergleich mit ba-wü ist interessant. im internet findet sich eine eigenartige seite über schullärm im schwäbischsten aller bundesländer. könnte das mal einer lesen?

vielleicht liegt es ja auch an der (sicherlich genetisch-vererbten) gemütlichkeit der südländer, der berliner ist ja immer in eile. wieauchimmer. vielleicht habt ihr noch ideen?

als ich mal beim frauenarzt gedemütigt wurde

muss inzwischen so zehn jahre her sein. also verjährt. kann man drüber reden. jedenfalls erste freundin und wenig ahnung von der materie. ein sicheres verhütungsmittel musste her. damals war verständniss für das weibliche geschlecht total angesagt, ich also vollmundig zugesagt, dass ich mitkomme. fand ich total nett von mir. der tag rückte näher und hand in hand schlurften wir zum termin. nicht sehr eilig. und schweigend. das war er also, der schritt zum endgültigen erwachsenen. mir wurde schlecht.

im wartezimmer dann die wartefrauen, die dort wahrscheinlich immer sitzen. wie sie mich alle angeschaut haben! mit offenen mündern. dabei hatte ich auf zartbekleidete jungfrauen gehofft… ich fand es schrecklich. sie haben mich ausgesaugt mit ihren blicken. ganz so, als wollten sie mich verantwortlich machen (kollektivschuld!) für ihre frauenprobleme. ihren hass auf die gesamte männerschafft auf mich projizieren. selbst die sprechstundenhilfe beäugte mich merkwürdig. als wäre ich ein fremdes wesen, nur darauf aus, sie zu quälen…

und zum alles entscheidenden aufklärungsgespräch durfte ich auch nicht mit rein. da saß ich dann ganz alleine und schämte mich grün. es war wirklich demütigend. ich fühlte mich auf einmal sehr schuldig…

Der erste Gang zum Frauenarzt ist für alle Mädchen und jungen Frauen besonders schwer. Freundinnen haben vielleicht schon etwas über Ihren Besuch bei der Frauenärztin erzählt, aber dennoch sind noch ganz viele Fragen unbeantwortet und Ängste vorhanden, so dass dem ersten Termin meist mit Unbehagen entgegengesehen wird. Damit Ihr seht, dass Ihr mit Euren Fragen, Ängsten und Problemen nicht alleine seit haben wir diese Seite für Euch zusammengestellt und hoffen Euch die wichtigsten Fragen beantworten zu können. >>>

i’ve got the spirit, but lose the feeling

Its getting faster, moving faster now, its getting out of hand,
On the tenth floor, down the back stairs, its a no mans land,
Lights are flashing, cars are crashing, getting frequent now,
Ive got the spirit, lose the feeling, let it out somehow.

nicht besser als der strummer letztens, aber anders.* und ehrlich gesagt, so gut kannte ich joy division vorher garnicht. die liefen eben immer so nebenbei. das wird sich ändern bei mir. aber zum film: großartige schwarzweiß-aufnahmen, jede kameraeinstellung ein meisterwerk für sich, die musik passt zum film und andersrum. die schauspieler spielen gut, doch verlieren sie sich in der story, genau wie der protagonist. alle sind ein bisschen kopflos und schauen verwirrt. ist wohl gewollt, aber für den zuschauer irritierend. grönemeyer spielt auch mit, hab ihn garnicht erkannt. und es wird viel über musik geredet. der verfall von curtis rückt zunehmend in den mittelpunkt und der zuschauer leidet mit. diesmal sinds keine drogen, die den verkannten künstler zerstören (oder er sich selbst), sondern seine krankheit. mit frauen hält er sich auch zurück, habe nur zwei gezählt. so richtig rock’n’roll also nicht, er war mehr so der künstler. das macht ihn nur noch spannender. und die musik sowieso. dieser film war längst überfällig!


* das schöne am bloggen ist ja, dass man überhaupt nicht erklären muss, über was man eigentlich schreibt. und strukturiert schreiben können andere!