Mit Franz Kafka an der Tanke

Im Wedding an der Tankstelle steht ein iCash 15. Das ist wahrscheinlich nichts Besonderes und ich bin der Letzte, der das mit bekommt. Trotzdem bin ich nachhaltig beeindruckt. Das iCash 15 ist mehr als nur eine Maschine zum Geld zählen, es ist ein kleiner verbotener Blick auf die Zukunft, in der es nur noch Maschinen gibt und die Menschen sich aus Angst in Berghöhlen verschanzt haben, aus Angst, von den Maschinen gefressen zu werden. Aber ich will gar nicht schwarz malen und empfange jede Innovation mit offenen Armen, noch dazu, wenn ihrem Namen ein kleines “i” voran gestellt wurde, was letztlich für innovativ oder intelligent stehen könnte.

Nun, was macht das iCash 15? Es empfängt Bargeld, zählt es und gibt das Rückgeld wieder aus. Nichts spannendes also und ich hoffe, hier liest noch jemand mit, denn jetzt wird es auch gleich interessant: Es ist die Art und Weise und stoische Ruhe, mit der iCash 15 das Geld entgegen nimmt. Da ist nämlich ein kleines Förderband, wie bei Aldi an der Kasse, nur viel kleiner, da wird das Geld drauf gelegt. Und dann passiert erst mal nichts.

Der Tankstellenwärter (der wahrscheinlich eher “Mobile Service Agent” heißt – die Deutsche Bahn ist überall) und ich, wir starren auf das kleine Gerät. Dann fängt es an zu surren und das Laufband setzt sich langsam in Bewegung. Mit lautem Gurgeln verschlingt es mein Geld. Dann wieder Stille. Der Stations-Vorsteher drängt mir ein Gespräch auf, seine Frau und die Kinder, das Wetter und dann – der Leser ahnt es – Philosophie. Kafka hatte er gelesen und wüsste ganz gerne meine Meinung dazu. Ob ich das denn genau so sehe mit den Einflüssen des scheinbar Trivialen.

Ich drehe mich um, hinter mir warten mindestens 15 Leute und ziehen die Augenbrauen hoch, warten auf meine Antwort. Einige haben sich Thermoskannen und Campingstühle mitgebracht, kennen schon das Procedre vom ewigen Geld zählen und dem philosophierenden Wärter. Vielleicht könnte ich den Bezahlvorgang beschleunigen, indem ich ihm antworte. Vielleicht ist dies ein Test. Wahrscheinlich auch keine Tankstelle, sondern sonstwas, in Berlin weiß man ja nie. Dabei bin ich doch nüchtern – oder?

Ich antworte ihm, dass ich es höchst interessant finde, dass Kafka fast nichts veröffentlichen wollte, fast so, als wäre er nicht überzeugt gewesen von seinen Werken. Stille. Verhaltenes Murmeln hinter mir, der Wächter nickt verständnisvoll. Und mitten in die Stille hinein ist iCash 15 zurück und meldet Vollzug. Ein zweites Förderband transportiert mein Wechselgeld heraus, ich schnappe es mir, “Danke, Tschüss!”, und bin raus. Die Schlange rückt vor, ich renne. Am Hintereingang lädt die fahrende Bücherei gerade Paletten mit Büchern ab. Das kann nicht gut sein.

Wahrscheinlich wurde iCash 15 angeschafft, um auch Menschen ohne Mathematikstudium das Arbeiten in einer Tankstelle zu ermöglichen. Immerhin braucht nun kein Geld mehr gezählt zu werden. Vielleicht auch, weil sich nun Roibereien nicht mehr lohnen, das Gerät ist sicher fest mit der Tankstelle verschraubt und lässt sich nicht mitnehmen. Das ist alles löblich und gut. Doch der wahre Grund wird uns ewig verborgen bleiben.

niiu in der roiberhöhle

niiu_logoder eigentliche grund, warum es in letzter zeit so wenig neues gibt: seit montag wird die roiberhöhle mit niiu beliefert. hä? jaja, richtig gelesen, doppel-i. um es kurz zu machen: das ist eine gedruckte zeitung mit den inhalten aus anderen gedruckten zeitungen. per web legt man die ressorts fest, die man gerne liest, dazu noch ein bisschen internet-inhalte. den rest macht eine schweizer software und morgens liegt die niiu vor er tür und will gelesen werden. beim fontblog gibt es eine gute kritik und auch ein paar bilder davon. und in ihrem eigenen blog berichten die macher von den schwierigkeiten, das ganze auf die beine zu stellen. zugegeben, so perfekt ist das ganze noch nicht. aber technische schwierigkeiten lassen sich in der regel lösen. viel wichtiger bleibt die frage, ob es sich durchsetzen wird. und da steckt viel potential drin: denn es macht mehr sinn, die wichtigsten seiten von mehreren zeitungen zu haben, als nur von einer. es bleibt also spannend.

netzwerktheorien [+update!]

heise berichtete heute über eine studie zum thema datenschutz in sozialen netzwerken. ihr wisst schon: freunde klicksen und dabei sein. ein thema, was wir schon öfters hatten. die studie selbst hinkt ein wenig, denn es wurden vorwiegend studenten befragt und nicht der “bevölkerungsdurchschnitt” (sic!). alles in allem sind den benutzern die regeln klar: veröffentliche nur, zu was du auch später stehst, es gehe um die “aufpolierte selbstdarstellung”. das ist ja alles gut und schön, könnte das aber mal bitte jemand der nächsten generation verklickern? denjenigen also, die mit dem internet aufwachsen. wann werden google-suchen in den lehrplan aufgenommen? in welchem fach wird diskutiert, welche auswirkungen der letzte komasaufenvideo-upload wohl haben wird? hier wird potenzial verschenkt, das internet ist ein werkzeug, nur droht es unterzugehen im allgemeinen rauschen der facebook-statusmeldungen. und ob twitter wirklich das richtige ist, um sich zu vernetzen, mag ich mal stark bezweifeln.

UPDATE :
hier gibts nun einen guten überblick über die rechtliche situation in sozialen netzwerken, insbesondere persönlichkeitsrecht und urheberrecht. sollte man gelesen haben. wobei sich die frage stellt, ob nicht die gegenwärtige praxis im netz diese offline-gesetze ad absurdum führt. da müssen auf jeden fall anpassungen vorgenommen werden, denn im grunde macht man sich ja derzeit fast stündlich strafbar. schön ist das nicht.

papa, was ist eigentlich ein social network?

ach, das ist lange her. das muss so kurz nach dem krieg gewesen sein. da hatte man große graue kisten, die musste man mit dem telefon verbinden und sich einwählen und da hatte man dann das sogenannte internet. was es heute auch noch gibt. kennst du doch, da wo du dich mit deinen freunden unterhälst, information herbekommst und nachrichten liest. das war aber alles getrennt zu der zeit. man musste adressen eingeben und sich überall anmelden. auf sogennanten websites musste man umständlich seine freunde suchen und sie zu seinem persönlichen netzwerk hinzufügen. das war eine arbeit, sag ich dir. klick, klick, klick. zwar gabs schon kommentare aber irgendwann hat man die übersicht verloren und vergessen, wo man überall angemeldet war. eines der ersten netzwerke war myspace, doch das war dann irgendwann weg. es kamen und gingen ständig neue. grauenvoll und echte zeitfresser, allesamt. sag mal, hörst du mir überhaupt noch zu? was kommentierst du denn schon wieder?