#unteilbar #b1310

eine viertelmillion menschen auf den beinen, um gegen rassismus und schwachsinn zu protestieren. ein breites bündniss hatte aufgerufen und wir sind hin gegangen. haben unseren bürgerlichen samstag geopfert, um zu zeigen, dass die seehofers und gaulands irren und keinesfalls volkes stimme repräsentieren. es war bunt, voll und manchmal laut, oft auch leise, weil viele gekommen sind, die man normalerweise nicht sieht auf demos. ein fest für jung und alt. gerade weil es so wenig konkrete forderung gab, konnte vieles hinein interpretiert werden. und so liefen wir zwischen kurdischen jugendorganisationen, spendeten für die digitalcourage und holten uns sticker bei der linken, lauschten engagiertem techno und hiphop. viele hatten eine botschaft und nun bin ich besserer dinge.

hier schreibt der kulturpessimist noch selbst (#20)

“Zwischen all den ironisch, halb ironisch und ernst gemeinten Varianten von Sexismus ist es schwieriger geworden zu sagen, was genau das Problem sein soll, wenn eine Fünfzehnjährige sich Playboy-Bettwäsche zu Weihnachten wünscht.”

~ Margarete Stokowski: Untenrum frei, 2016

da sind sie wieder, die vielen layer mit denen wir lernen müssen, zurecht zu kommen. wie eine zwiebel muss man die nachrichten häuten Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. alles könnte eine anspielung sein, eine falle, in die wir tappen und für die wir uns nachher rechtfertigen müssen für unsere unkenntnis. das war schon immer so, die literatur und kultur ist seit jahrhunderten voll von remixen, mashups und anspielungen, genießen darf nur, wer sie alle dechiffriert… Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im Herzen auf zu sein. nun ist nur alles schneller geworden und wie ein jongleur erfassen wir die nachrichten, tweets und interaktionen, müssen einordnen, weil journalismus tendenziell tendenziös ist und wir das vertrauen verloren haben. vorbei die zeiten, als meinungen gemacht wurden um zu konsumieren. heute wird hinterfragt, kritisiert und im zweifel gezweifelt. dieser jener hat aber schonmal dies das geschrieben und das war falsch. dabei wird noch mehr meinung gemacht, nur subtiler. redakteur zu sein dieser tage erfordert neben handwerkszeug auch einen moralischen kompass, ein gespür für den zeitgeist, um nicht im nächsten shitstorm weggeweht zu werden. für den konsumenten bedeutet das ebenfalls arbeit und so mäandern wir uns alle durch den watzlawick und am ende hat niemand was gesagt. oder jemand muss sich entschuldigen. oder es wird gefordert sich zu entschuldigen oder zu wiederrufen, mindestens aber zurückzutreten. und am ende sitzen sie in den ewigen talkshows und zerfasern sich die lippen.

warum bauen wir dieselmotoren nicht in airberlin-flugzeuge?

dieser tage will wieder ein privatwirtschaftliches unternehmen (airberlin) vor einer drohenden pleite gerettet werden. es ist wahlkampf, die volksparteien überschlagen sich mit zusagen, krediten und versicherungen, dass es auf jeden fall weiter geht. so nachvollziebar und verständlich das ist, insbesondere für die angestellten und den wirtschaftsstandort berlin.

vielleicht ist das aber auch eine auswirkung des strukturwandels. folgend ein paar vermutungen, für belastbares müsste man sich mal fahrgastzahlen, geschäftsberichte und dergleichen anschauen.

  • es gibt offenbar zu viel kapazität und zu wenige kunden für billigflieger, sodass sich gerade der markt bereinigt
  • fluggesellschaften können aufgrund langer vorlaufzeiten in der planung schlecht auf änderung der nachfrage reagieren
  • den trend zu immer billiger auf kosten des komforts machen längst nicht mehr alle kunden mit

wieauchimmer, am ärgerlichsten ist, dass flugzeuge steuerfrei tanken, also jeder flug subventioniert wird von den steuerzahlern, flughäfen sicher auch in der ein oder anderen form. da dies bei der bahn ebenso der fall ist, hinkt der vergleich und könnte nur in absoluten zahlen quantifiziert werden. das soll hier gar nicht thema sein.

gleichzeitig wanken deutsche autohersteller, weil sie zu lange auf verbrenner statt strom gesetzt haben, die politik hat dies ebenfalls gefördert und elektromobilität jahrelang nicht thematisiert. das mitleid mit der deutschen autoindustrie hält sich in grenzen. hier ist der strukturwandel sichtbarer, es geht ein gespenst um in der westlichen welt: dispruption.

in diesem zusammenhang sei auch auf die debatte um verkehrsraum in den städten hingewiesen. gibt es ein recht auf einen parkplatz vor der tür, brauchen wir mehr raum für autos oder fahrräder, wollen wir die autostadt der sechziger/siebziger weiter ausbauen oder lieber zurückbauen?

es geht mir um die frage, wie und nach welchen kriterien der staat in die freie wirtschaft eingreift und somit bestimmte entwicklungen fördert und andere im keim erstickt. wann haben wir uns als gesellschaft darauf verständigt, dass wir inlands lieber fliegen oder autofahren als die bahn zu nehmen – gibt es darüber eine debatte?

das schöne ist, dass wir die mittel hätten, eine vernünftige und umweltgerechte verkehrspolitik zu betreiben. das traurige ist, dass offenbar mut und willen fehlt und so haben wir von allem etwas, die infrastruktur ist marode, die straßen sind mit güterverkehr voll, kurze distanzen werden geflogen, bei der bahn fallen klimanalagen aus.

Zy·nis·mus

“Nach Angaben der Ermittler habe der Tatverdächtige 15.000 Verkaufsoptionen (Put-Optionen) auf die Aktie von Borussia Dortmund gekauft. Er wollte nach Erkenntnissen der Ermittler durch den Anschlag einen Kurssturz der BVB-Aktie erzwingen und mit den Verkaufsoptionen, die bei sinkenden Aktienkursen stark ansteigen, ein Vermögen verdienen.[1] Die Optionen soll W. über einen Verbraucherkredit finanziert haben.” (wikipedia)

und:

“Bei einem massiven Verfall der Aktie hätte der Gewinn ein Vielfaches des Einsatzes betragen. Mit einem erheblichen Kursverfall wäre zu rechnen gewesen, wenn in Folge des Anschlags Spieler schwer verletzt oder gar getötet worden wären.” (RT)

der kapitalismus überholt sich selbst. der tüp tat im kleinen, was im großen tagtäglich passiert. nun sollte ich einen sprengstoffanschlag mit billigender inkaufnahme von toten und verletzten nicht gleichsetzen mit übernahmen, hedgefonds, Paul Singer und automatisiertem handel, um nur ein paar stichworte zu nennen. aber die motivation des tatverdächtigen folgt der maxime der kapitalistischen profitmaximierung. also alles richtig gemacht?

tut mir leid, ich kann beim schreiben dieser zeilen nur noch zynisch sein und vermisse empathie. wahrscheinlich wird kein großer diskurs folgen in den nächsten tagen über die rolle des kapitals in unserere gesellschaft, obwohl wir den dringend bräuchten.

ps: wozu können eigentlich aktien eines fußballvereins gehandelt werden, was hat das für einen gesellschaftlichen mehrwert?

pss: konnte er gewinne realisieren?

[UPDATE:] “Die Hoffnung des mutmaßlichen Attentäters auf einen drastischen Kursverfall der BVB-Aktie erfüllte sich nicht. Das Wertpapier stieg am 12. April, dem Tag nach dem Anschlag, von 5,61 Euro auf 5,71 Euro. Bis zu diesem Donnerstag bröckelte der Kurs lediglich auf 5,36 Euro ab.” (tsp)