gentrification in münchen: in einem mehrfamilienhaus wird der nazi-hausmeister ermordert und jeder in der hausgemeinschaft hat ein motiv. war es vielleicht der schnöselige hausbesitzer? oder die dekadente WG? die thai-ehefrau, die unter ihrem quecksilbrigen mann litt? man weiß es nicht, die auflösung ist dann tatsächlich sehr überraschend. assistent menzinger entwickelt ein rätselhaftes eigenleben, man erfährt einiges über den münchner immobilienmarkt. nur das dialekt einiger darsteller nervt, aber ist halt so.
Letzte Woche gabs eine spannende Diskussion zum Thema “Gentrifizierung im Wedding?” – ich war leider nicht da, dafür der stadtbekannte Soziologe Andrej Holm. Er hat nun die Diskussion zusammen gefasst und veröffentlicht:
Nun wohn’ ich schon eine Weile hier, alle paar Jahre erklären zitty und tip den Wedding zur neuen Szene. Die DEGEWO thront wie eine Käseglocke über allem und füllt die unvermietbaren Läden mit Künstlern zum Selbstkostenpreis. Einmal im Monat ist Kolonie Wedding, da kommen merkwürdige Menschen aus anderen Stadtteilen und gucken Kunst. Das Quartiersmanagement versucht ziemlich viel, nicht nur Aufwertung, auch Integration, Sprachkurse und so Sachen.
Aber Veränderungen? Sicher, Roibereien und Schusswechsel sind seltener geworden. Die strukturellen Probleme aber bleiben und sind sehr offensichtlich. Armut, hoher Migrantenanteil, jahrzehntelange verfehlte Politik und mieses Image – im Wedding subsumiert sich das alles. Die Bürgersteige werden als Sperrmülldeponien missbraucht (nebenbei: die BSR leistet viel, karrt das Zeug regelmäßig weg – und die Preise steigen), Hundescheiße und aggressive Jungs. Brüllende Mütter auf Spielplätzen. Jedem Gentrifikations-Theoretiker sei ein Besuch des örtlichen Discounters ans Herz gelegt. Wer hier herzieht wegen der billigeren Mieten (Stichwort “Umzugsketten”), der sollte sich auf einiges gefasst machen. Der Ton ist rauer, prolliger und berliniger als anderswo.
Und so schnell wird sich das auch nicht ändern. Sicher, die Mieten werden teurer, die Frage ist nur, wie schnell. Aber ob sie je das Niveau von Prenzlauer Berg erreichen, bleibt zweifelhaft. Die Voraussetzungen sind eben andere, hier gibt es keine Immobilienfirmen, die nach der Wende billig Häuser gekauft haben. Hier gibt es kaum Leerstand (und wenn, dann nur in unzumutbaren Plattenbauten). Hier gibt es (noch) keine Szenekneipen, nur künstlich erzeugtes Künstlerleben (siehe oben). Saniert wird auch, aber nicht mehr als anderswo. Viel Kaputtes wurde abgerissen nach dem Krieg und durch zweifelhafte Architektur ersetzt, die Jahrhundertwende-Häuser wurden kontinuierlich modernisiert und sind durchweg in einem passablen Zustand. Arabisch- und türkisch-stämmige Familien bleiben durchschnittlich länger in Wohnungen als beispielsweise Studenten, die nach ihrem Studium woanders hin ziehen. Alles Gründe gegen eine beschleunigte Aufwertung.
Hier im Haus haben sich die Mieter auch fast komplett ausgetauscht, im Flur stehen plötzlich Kinderwagen und alle sind jünger als noch vor ein paar Jahren. Wo sind die alten Mieter hin? Ist das schon Gentrifizierung oder ein ganz normaler Prozess in einem Mietshaus? Die Grenzen sind fließend und vielleicht bin ich auch Teil der Bewegung, Auslöser oder treibende Kraft. Keine Ahnung.
Ich finde, bei dieser Diskussion ist auch ganz viel Hass, Sozialneid und Ignoranz dabei. Klar, dass Luxuswohnprojekte scheiße sind. Aber es ist eine Entwicklung. Aufhalten kann man das nicht, schon gar nicht stoppen. Zieht man eben um, wenns einem nicht mehr gefällt. Oder hab ich irgendwo was falsch verstanden?
“Wenn in der Jugend ich studiert und nicht so viel gelottert hätte,
so hätt’ ich jetzo Haus und Bette.” ((frei aus dem Kopf zitiert nach François Villon))
auf spreeblick steht, dass der wedding jetzt szene sei. das höre ich schon, seitdem ich hier wohne. und da kann man sicher von ausgehen, dass das genau nicht passieren wird. beziehungsweise nur in den grenzregionen. die bernauer und brunnenstraße sind ja schon gut fashioniert. sagt man. denn eigentlich habe ich keine ahnung davon. und noch eigentlicher ist es mir egal. und um ehrlich zu sein, wäre es besser, wenn die hypemaschine vorbei rollen würde, direkt nach reinickendorf und wittenau. ((Sara Chahrrour auf spreeblick.com: Der Berliner Szenemensch))
#
ganz anderes liest man hier – geschichten aus dem wedding, großartig geschrieben und immer noch aktuell, trotz aller gentrifikation. (( katerwolf: Kevin, Dschässika, Brett und Schannntalll))
die kaffeekrise in der DDR der siebziger jahre scheint mir mehr als ein treppenwitz der geschichte. die proteste gegen den versorgungsengpass überschatteten alles bisher da gewesene. ((wikipedia.org: Kaffeekrise (DDR)))
Glaubt man den Polizeiberichten der vergangenen Tage, so gibt es jeden Abend eine große Party im Mauerpark. Nun, die gab es schon immer. Sobald es nur irgendwie warm wird, sind die Wiesen voll mit Menschen, die friedlich rumsitzen, quatschen und trinken. Meist macht auch einer Musik. Die Polizei schiebt in letzter Zeit verstärkt Einsätze und wird auch tatsächlich fündig – ob es da einen Zusammenhang gibt mit der bevorstehenden Walpurgisnacht, wo es in der Vergangenheit an gleicher Stelle Rambazamba gab?
Witzig jedenfalls, dass ein Anwohner um zehn Uhr abends die Polizei ruft, um sich über Trommeln zu beschweren. Da sieht man mal, wie hipp man da wohnt…