postfaktisches bücherregal

ach, was sind wir alle postfaktisch und oberflächlich. seit einigen jahren haben größere deutsche nachrichtenportale auch kleine geschwister für die jüngeren. grellbunt, schreiend und man wird permanent geduzt. bewegt man sich auf SpOn, verklickt man sich schnell und landet bei bento. neben ein wenig politik vor allem netzhypes, mode, sex und bla. interessant sind die bücherlisten:

12 Bücher, die du nur besitzen solltest, um damit anzugeben

  1. Homers Odyssee (mit der Ilias im Schuber!)
  2. Thomas Mann: Buddenbrooks#
  3. Plato: Das Gastmahl (ledergebunden, klar)
  4. Kant: Gesamtausgabe
  5. Friedrich Nitzsche: Kritische Studienausgabe in 15 Bänden
  6. Freud: Gesammelte Werke
  7. Kafka: Gesammelte Werke (12 Bücher im schicken Schuber)
  8. Shakespeare: Sämtliche Werke
  9. Irgendwelche dicken Russen
  10. Goethes Faust (mit Lithographien von Eugène Delacroix)
  11. Günter Grass: Die Blechtrommel
  12. Charles Dickens: Große Erwartungen
  13. David Foster Wallace: Unendlicher Spaß

jeder eintrag ein kleines witzchen, das ist nett.

Diese Bücher solltest du in deinen Zwanzigern gelesen haben

  1. Franz Kafka: Die Verwandlung
  2. David Foster Wallace: Das hier ist Wasser
  3. Dave Eggers: Ein herzzerreissendes Werk von umwerfender Genialität
  4. Karl Ove Knausgård: Lieben
  5. Joan Didion: Slouching towards Bethlehem (Englisch)
  6. Max Frisch: Fragebogen
  7. Ian McEwan: Am Strand
  8. Roland Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe
  9. Milan Kundera: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
  10. Silvia Plath: Die Glasglocke
  11. William T. Vollmann: Afghanistan Picture Show

Linktipp: Die Schreibmaschinisten

weil die ein von wir sind helden nach einer schreibmaschine mit @ fragte, bin ich auf das blog Die Schreibmaschinisten gestoßen. da gibts einiges zu entdecken:

USB-Typewriter – die digitale Schreibmaschine eine uralte schreibmaschine bekommt eine schnittstelle zum PC nachgerüstet

Die selbstschreibende Schreibmaschine – KI in einer schreibmaschine

dazu viele artikel über die schreibmaschine in musik und literatur. wirklich sehr schön, vielen dank dafür!

kritik der kapitalismuskritik

das kapitalismustribunal ist ein spannendes projekt, hier finden seit knapp zwei jahren diskurse, theater und workshops rund um schuld und verantwortung derzeitiger krisen und falscher entwicklungen statt. immer in der form einer gerichtsverhandlung. hauptfeind ist der kapitalismus als solcher und der neoliberalismus im speziellen. es wird nach neuen regeln gesucht, die unser zusammenleben verbessern, misstände beenden undsoweiter.

Das Versprechen des Kapitalismus’ lautete: »Allen wird es besser gehen!« Inzwischen gehen immer mehr Menschen davon aus, dass diese Annahme falsch ist. Sie beobachten zunehmend Unfreiheit, Ungleichheit und sehen den sozialen Frieden unmittelbar durch den Kapitalismus bedroht. Zugleich zeigt sich ihnen das ökologische Desaster durch die Verbrennung der Grundlagen irdischen Lebens.
Im Kapitalismustribunal wird die Frage der Schuld des Kapitalismus’ und seiner Protagonisten fair verhandelt.

gestern abend war lesung zum daraus entstandenen buch im roten salon der volksbühne.

die schönen texte wurden vorgetragen, es gab einen engagierten moderator, der schöne fragen stellte. jedoch jenseits der texte wurde der diskurs zäh und träge, es wurde die besetzung des intendanten der volksbühne kritisiert, es ging um die frage, ob viele kleine verbesserungen besser seien als das große ganze im auge zu haben, vereinzelt fragwürdige zwischenrufe ließen fragezeichen in den gesichtern aufblitzen. der abend entglitt ins schwafeln und zeigte vor allem, dass es keine lösungen gibt, keine utopien, die linke ist fertig und schielt neidisch auf den populistischen ansatz der rechten und neurechten.

am ende wieder schöne texte aus dem buch, denn das kann die linke noch, formulieren, metaphern, wortgewaltige sprachbilder erzeugen und das publikum angepannt zuhören lassen. nur der dialog blieb weit hinter den erwartungen, auch weil wir nicht nur im postfaktizismus leben sondern auch nach der theorie. der kapitalismus passt sich wunderbar an, einverleibt die kapitalismuskritik und akkumuliert gewinne. wir brauchen also nichts so dringender wie neue regeln für ihn, um ihn in die schranken zu weisen, auch dafür braucht es bücher, dialoge und solche abende, so ätzend sie auch sind.