Geschichten aus einer viel zu großen Stadt pt. 22

auch wenn es noch keine ernstzunehmenden ausschreitungen englischen vorbilds in d gibt (wahrscheinlich sind die rioten alle in london und plündern flachbildfernseher): die polizeipräsenz in berlin hat doch arg zu genommen. am samstag vormittag standen mehrere hunderte schaften an der bösen brücke und hielten die nazis von den gegennazis ab und vice versa. im schillerpark war heute rohrbombe und der park war zu. im mauerpark zeigen sie zumindest präsenz und in mitte sind sie sowieso und überhaupt. war das schon immer so? muss das sein?

polizisten beim karaoke im mauerpark (august 2011)

als argloser tourist in berlin würde ich an einen deutschen polizeistaat glauben. und ich persönlich fühle mich auch nicht sicherer neben einer uniform, sondern vermute eher latent lauernde gefahr. angst vor terroristen, ausschreitungen, übergriffen? muss des menschen wolf mit blauem uniformrock gezügelt werden?

warnung auf dem biohof in brodowin (juni 2011)

und vor allem: wo kommen die alle her, wo waren die vorher? und: wird sich das irgendwann bessern?

Geschichten aus einer viel zu großen Stadt pt. 21

heute entstieg mitten im soldiner kiez eine mittelalte familie aus dem mittelschichtigen ökomilieu mit kleinen kindern ihrer familiendroschke. so ein kombi, wo der bierkasten UND der kinderwagen reinpasst. auf der heckscheibe prangte “allergiegetesteter innenraum” (( beim hersteller heißt es dazu: “Bei geschlossenen Fenstern und Türen schützen die Materialien, zusammen mit dem serienmäßigen Staub- und Pollenfilter, die Insassen vor allergieauslösenden Partikeln aus der Außenluft.”)) – wahnsinn, was es alles gibt. da kann man praktisch nie krank werden, man muss allerdings sein ganzes leben im auto verbringen und fenster und türen geschlossen gehalten. absurde vorstellung?

Symbolbild: Wedding 65 (Mai 2009)

die familie, übrigens aus einer mittelgroßen westdeutschen stadt, wirkte ganz schön unbeholfen und verloren und starrte mich schüchtern an. über sechs jahre wedding sind an mir jedoch nicht spurlos vorüber gegangen und so bellte ich sie an, was das soll, warum sie mir im weg rumstehen und starren, ob sie nichts besseres zu tun haben, ärger suchen. verpissen sollten sie sich, weil das mein revier ist und sie mit ihren verzogenen gören hier nichts zu suchen hätten. die normale ansprache eben, die worte mit bedacht gewählt, um die fremden nicht gleich abzuschrecken. doch leider verfehlten meine worte ihre wirkung nicht und die kleinfamilie verkroch sich wieder in den warmen arsch ihrer reihenhaussiedlung am rand von … na? bonn!

Disclaimer: Teile der Geschichte sind erfunden, Ähnlichkeiten mit bekannten oder unbekannten Personen rein zufällig und Tiere kamen bei den Dreharbeiten zumindest nicht ernsthaft um.

Geschichten aus einer viel zu großen Stadt pt. 20

townhouses auf dem gelände des ehemaligen alten schlachthofs im prenzlauer berg (april 2011)

so siehts da jetzt aus auf dem ehemaligen alten zentralvieh- und schlachthof an der s-bahn storkower straße – da haben sich die townhäusler richtig ausgetobt und uniforme blocks hingesetzt, die ganz schön nach 60er-jahre retro-future aussehen. amerikanisches suburbania, ihr wisst schon.

dabei sah es bis vor ein paar jahren noch ganz anders aus, alte baracken und allerlei verlassenes standen rum und erzählten von einer anderen zeit. erzählten ein stück industriegeschichte. heute muss man bei döblin nachlesen oder dieses kleine video schauen.

sicher, es gibt nicht nur townhäuser, auch ein park hat sich verirrt und die ehemalige rinderauktionshalle bekommt einen subway. so schade ist das alles nicht, es ist nur wieder ein kleines stück berlin verschwunden. da muss man aber nicht traurig sein. und man muss sich eine familie im townhause glücklich vorstellen.

Kran-Porno an der ehemaligen Rinderauktionshalle (April 2011)

Geschichten aus einer viel zu großen Stadt pt. 19

...alten resten eine chance... (september 2007)

im in-szene-bezirk wedding, wo die latte-gläser nur so klirren und die selbstgedrehten (ohne zusätze!) dampfen, da vergisst man schnell, dass es auch alte leute gibt. alte leute geben muss, weil die ja aufgrund technischem fortschritt in der medizintechnik nicht so einfach verschwinden. wenn man aber den ganzen tag malochen ist, da sieht man sie nicht, weil sie morgens noch nicht auf rollator-achse sind und abends schon dem florian silbereisen an der heimischen gernsehapparatur zujubeln. jedenfalls! gestern abend stoppt mich eine rockerbraut, steinalt, mit helm und neben ihrem knallgelben roller auf und ab hüpfend. ob ich ihr nicht die zwei waschmittelpackungen nach oben bringen könnte. die waren doch so billig.

gesagt getan, das gediegene treppenhaus hoch gehechtet, ich wollte ja auch mal nach hause und überhaupt: was tue ich hier? berlin, das ist doch anonymität, da kümmert man sich doch nicht umeinander. gibt doch pflegedienste und bringdienste und verwandte und überhaupt – was geht mich fremdes leid an? aber naja, ein bisschen gute tat, das ist doch nett. übers wetter geredet, scheiße kalt, näch? aber schönes treppenhaus! ja, steht unter denkmalschutz – genau wie ich – höhö. warten sie, ich geb’ ihnen noch was, für eine cola. nein, ist schon ok. dochdoch, jetzt warten sie. hier. und plötzlich hatte ich mir einen euro verdient, das war gar nicht meine absicht. aber gefreut hab’ ich mich. nur: wie erklär’ ich das dem finanzamt?

Geschichten aus einer viel zu großen Stadt pt. 18

warschauer, Okt. 2006

Heute Morgen in der U9 Richtung Zoo: Ein nachlässig gekleideter Mann mit dreckigem kleinem Köter steigt ein, zeigt den Hitlergruß und beginnt zu palavern. Sehr laut und aggressiv stellt er sich als Leutnant Soundso mit Hund Robert von der Bürgerwehr vor und schreitet dabei mit großen Schritten von einem Ende der U-Bahn zum anderen. Alle Fahrgäste hören schweigend zu, zeigen immerhin angewiderte Gesichter, sagen aber nichts. Die Beweggründe seiner Bürgerwehr sind schnell erzählt: Man müsse aufräumen mit dem ganzen Pack in Berlin und sauber machen. Und alle die gegen ihn sind, bekommen ein Messer in den Rücken.

Dem offenbar verwirrten Mann schien es Ernst zu sein mit seinen Drohungen. Das ganze war ganz und gar nicht zum Lachen und machte mir ganz schön Angst. Wie verhält man sich in so einer Situation: Brüllt man ihn an, ignoriert man ihn, ruft man die BVG oder die Polizei? Schwierig. Was hättet Ihr getan?