#urad

wir waren in urad, der polnischen seite des dörfchens aurith. beide dörfer sind durch die oder getrennt, früher gab es eine fähre, seit 1945 nicht mehr. wir lasen darüber vor jahren in einem schönen büchlein von Tina Veihelmann.

wir sitzen auf der kaimauer und der wind bläst ordentlich, die oder fließt schnell und ist auch ganz schön voll.

drüben ist deutschland, ab und zu kommen dort menschen, stehen ebenfalls auf der kaimauer und blicken zu uns herüber, gehen wieder. auf unserer seite kommt niemand, wir bleiben alleine. eine schwanenfamilie passiert den grenzfluss, ohne sich über die komplexe deutsch-polnische geschichte gedanken zu machen. ein wassermotorrad lärmt vorbei und durchbricht das idyll. sonst fahren keine schiffe.

vor jahren haben wie mal eine brücke bauen wollen und sind gescheitert. eine fähre gibt zur zeit nur einmal im jahr zum sommerfest. offenbar wird sonst keine gebraucht.

Doch keine Oder-Brücke, oder?!

Der Amtsdirektor in Brieskow-Finkenheerd, Danny Busse, in einem Interview mit der MOZ:

Zur Bedeutung kann ich sagen: Die Brücke braucht keiner. Weder die Privaten noch die Wirtschaft.

Das ist schade. Vor kurzem las’ ich über die beiden Örtchen Aurith und Urad, getrennt durch die Oder und Kommunismus, früher ein Dorf mit einer Brücke, heute zwei Dörfer in zwei Ländern. Tina Veihelmann (( wir hatten sie schon mal mit ihren Soldiner Spaziergängen)) war in beiden und hat sich die Geschichten der Menschen angehört. Heraus gekommen ist ein zweisprachiges Bändchen (( Tina Veihelmann: Aurith – Urad: Zwei Dörfer an der Oder / Dwie wioski nad Odra)), das in Aufmachung und Inhalt etwas ganz besonders ist. An der Trennung will sie mit ihrem Buch nichts ändern, sondern nur die Geschichten erzählen. Ohne Vorwürfe, ohne große Politik. Dass die Dörfer sich nun doch ein bisschen angenähert haben, erfährt man im Klappentext. Schade also, dass es nun doch keine Brücke geben wird, oder?

geschichten aus einer viel zu großen stadt pt.16

tina veihelmann lebte mithilfe des kiezschreiberstipendiums im soldiner kiez, berlin-wedding zwischen 2006 und 2007. ein paarmal habe ich sie zu dieser zeit gesehen, wie sie auf der bank an der panke saß und sich geschichten erzählen ließ. die geschichten hat sie aufgeschrieben, kann man hier nachlesen oder in einem kleinen büchlein namens “soldiner spaziergang”. darin auch die story von den zwei künstlerinnen in der ehemaligen apotheke (“labor k1”, hatte ich damals auch). und das angenehme: frau veihelmann beobachtet lediglich, hört zu und schreibt auf. sie will nichts verändern, klagt nicht an. lesebefehl für all’ jene, die den soldiner kiez nur aus gruseligen presemitteilungen kennen.