Als sich der Konsumismus selber abschaffte… #11

jedem anfang wohnt bekanntlich ein zauber inne (( Hermann Hesse: Stufen, 1941)), in brandenburg hingegen entstehen aus gescheiterten großprojekten noch größere merkwürdigkeiten. seit 16 jahren ist die einstige luftschiffhalle nun schon ein tropischer freizeitpark. inzwischen betrieben von einem spanischen unternehmen und gut besucht. corona gibts hier nicht mehr, keiner trägt maske, nur badesachen. es ist alles ein bisschen viel und durcheinander, zu teuer und teilweise absurd. muss man mal gesehen haben, dann reichts aber auch.

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auf unserem ausflug nach wünsdorf kommen wir auch an der baustelle zum neuen Flughafen Berlin Brandenburg “Willy Brandt” (BER) vorbei. gespenstisch leer ist es und da sonntag ist, gibts auch keine (sichtbaren) bauarbeiten. nur sicherheitsleute, die uns außen rumlaufen lassen, solange wir nicht “die nasen an die scheiben drücken” – hatten wir nicht vor, die sind nämlich ziemlich dreckig. überhaupt erinnert nicht mehr viel an eine baustelle, es hat eher den eindruck eines lange verlassenen gebäudes. gras wächst zwischen den bodenplatten, staub überall. eine stille beherrscht die szene. sommerliches vogelgezwitscher gibt es hier nicht.

am 31. oktober diesen jahres ist eröffnung. mit neun jahren verspätung. viele witze wurden gemacht, viel wurde dikutiert, das wird dann endlich und hoffentlich vorbei sein. schön ist er nicht geworden, eher zeitlos-funktional. keine ahnung, wie es innen aussieht, man hofft auf mehr ergonomie als in tegel und schönefeld. flughäfen sind keine wohlfühl-oasen, sie sollen funktionieren. und alsbald eröffnet werden.

es gibt auch ein video vom ausflug:

Als sich der Konsumismus selber abschaffte… #9

Wir gehen dahin, wo es wehtut. Und dekadente Shoppingtempel stoßen uns gleichermaßen ab wie sie uns anziehen. Irgendwo hinter Spandau ist das große Outlet Center, schon ewig, die Betreiber haben bereits mehrmals gewechselt. Riesige Parkplätze umzingeln eine pitoreske Ansammlung kleiner Gebäude – ein Markendorf, das einer brandenburgischen Gemeinde um 1835 ähneln soll (( schrob die Morgenpost schon 2009)). Dabei sieht das Dorf eher wie Seahaven (( die Küstenstadt unter der Kuppel im Film Truman Show, 1998)) aus.

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Dem geneigten Leser mag dies gruselig erscheinen – in Wahrheit ist es jedoch viel schlimmer. Menschen schieben sich an diesem Samstagnachmittag über die Promenade von Laden zu Laden, jeder bereits mit Tüten bewaffnet, auf denen groß die Labels zu lesen sind. Und diese Menschen sind die liquide Mittelschicht, sie gehen keinen prekären oder gar keinen Beschäftigungsverhältnissen nach, sie verdienen und wollen es zeigen. Das ist kein Berliner Durchschnitt, höchstens Steglitz und Speckgürtel. Man hört auch viel ausländisch und gruselt sich vor der Vorstellung, das dies ein fester Programmpunkt auf der Europareise sein könnte.

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Entsprechend sind die Läden dann auch nicht H&M und C&A dm und Nanu-Nana (( vgl. dazu Marc-Uwe Klings dezente Innenstadtkritik Das Kettenkarussell)), sondern eher so Friedrichstraße, aber da kenn ich mich zuwenig aus. Dazwischen gibts auch Essen, der alten Shopingmall-Regel des Foodcourts folgend.

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Doch was ist das eigentlich, ein Outlet Center? wikipedia weiß es besser: “Fabrikläden befinden sich nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe der Fabrik.” Da wird Ware angeboten aus der letzten Saison oder das, was sich nicht verkauft hat. Zu reduzierten Preisen. Kann man nicht in den eigenen Läden machen, da man sich sonst die Preise kaputt macht (( in der Provinzstraße riecht es manchmal penetrant nach Essig von der Kühne-Fabrik, die haben auch einen Fabrikverkauf)). Das zielt auf den ureigensten Jäger- und Sammlertrieb des Menschen. Denn ein rabattierter Schuh schüttet vermutlich die gleichen Hormone aus wie ein erlegtes Mammut ((siehe dazu auch Thaler et al)).

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Der Nike-Laden hatte ein technisches Problem, kurz wurde der Laden geräumt und eine Traube bildete sich davor.

Doch was meckere ich hier eigentlich so viele Zeilen lang? Ich war ja selber da und im Gegensatz zu Konsumtempeln in der Innenstadt stolpert man da nicht zufällig rein, sondern entscheidet sich bewußt für die Anreise (( es gibt auch einen Shuttle aus Berlin)). Irritierend und verstörend ist das Shoppingdorf aber schon, ohne dass ich das erklären kann – ob das an dem unreflektierten Shoppen liegt, an der Künstlichkeit, an dem Fehlen jeglicher Natürlichkeit? An dieser Stelle könnte auch Anti-Amerikanismus stehen – immerhin kamen Mall und Outlet über den Atlantik – denken Sie sich ihren Teil. Das Problem sitzt vermutlich tiefer und hat mit Gesellschaftkritik zu tun. Lassen wir das für Heute und freuen uns über diese Statue, einer Ikone des Konsumismus:

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