:

Stille Tage in Clichy

erschienen: • ISBN: • Farbe:

“Wenn eine betrunkene Frau in Henry Millers Bett geschlüpft wäre, dann hätte das Ficken und bestimmt auch das Saufen die ganze Nacht gedauert. Wenn Henry Miller nur ein Satyr, ein Ungeheuer mit wahllosem Appetit gewesen wäre, könnte man ihn vergessen. Doch Henry Miller ist ein Künstler, und seine Erzählungen, so haarsträubend und vielleicht voller Lügen sie sein mögen, sind Erzählungen aus einem Künstlerleben. Henry Miller schreibt vom Paris der dreißiger Jahre, einer Stadt der Künstler und der Frauen, die Künstler liebten.

aus: COETZEE, J.M.: Die jungen Jahre, 2002, S. 44

bisschen wie charles bukowski, nur ein paar jahrzehnte früher, schreibt miller über ein leben aus alkohol und frauen. er lebt mit einem freund zusammen und sie erleben die dollsten abenteuer. ist das gute literatur oder nur eine aneinanderreihung von eskapaden? auf jeden fall ist es ein gegenentwurf zum bräsigen leben in den fünfzigern, als das buch erschien, würde aber heute wahrscheinlich nicht mehr funktionieren.

das buch wurde zweimal verfilmt, in meiner ausgabe sind düstere schwarzweißaufnahmen von Brassaï, die thematisch passend ausgewählt wurden.

:

Kommandant in Auschwitz: Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß

erschienen: • ISBN: • Farbe:

die kommentierten und gekürzten erinnerungen des rudolf höß, geschrieben in gefangenschaft kurz nach dem krieg und kurz vor seinem tod. keine schöne literatur, eher eine qual. aber ein wichtiges zeitzeugnis für uns nachgeborene. höß war mitnichten der dämon oder sadist, den man sich vorstellt, wenn man sich einen auschwitz-kommandanten vorstellen soll. eher ein bürokrat, der übereifrig jeden befehl seines vorgesetzten umsetzt. sehr technisch und nachvollziehbar beschreibt er die unwegsamkeiten und bisweilen auch die ethischen und moralischen bedenken (spoiler: es waren derer nicht viele). es ist eher ein großes herumopfern: himmler befiehlt den massenmord vage aber bestimmt und höß muss sich um die realisierbarkeit kümmern.

das ergebnis ist eine fast perfekte tötungsmaschine, eine mordfabrik, auf die er kurz nach kriegsende immer noch stolz ist, es gibt wenig selbstkritik. geboren 1900, freiwillig und sehr jung an die front im ersten weltkrieg, danach lange freikorps und gefängnis. ein leben in der demokratie hatte er im grunde nie, dann gleich SS und karriere in diversen lagern, bis er 1940-43 auschwitz perfektionierte.

[in eigener sache:] im herbst letzten jahres besuchen wir birkenau und auschwitz, da entstanden auch obige fotos. es ist ein monument der entmenschlichung und wird dem wahren ausmaß wahrscheinlich nicht gerecht. es war nicht hitler und himmler, es waren solche bürokraten wie höß, die sich das ganze ausgedacht und perfektioniert haben, keine monster oder sadisten, sondern angestellte, die funktioniert haben, um ihren eigenen kopf zu retten. und das gilt es in zukunft zu verhindern.