Erscheinungsjahr: 2009

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Der einzige Mann auf dem Kontinent

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ein buch über einen typ, der in berlin wohnt und in einer IT-bude am potsdamer platz arbeitet, wie nah kann ein buch an der wirklichkeit des lesers sein? wir begleiten ihn in den nahen wahnsinn aus überlastung und unterforderung, er ist nicht mehr der jüngste, nicht der dünnste und es geht viel schief. grandios ist die erzählstimme, eine mischung aus eigenen, fremden und erzählenden gedanken, intensiv und sehr nah. vor dem hintergrund der finanzkrise 2009 und einer globalen arbeitswelt. und obwohl wir Darius Kopp begleiten, sind wir nah an seiner freundin/frau, erfahren einiges aus der vergangenheit und ahnen es: die sehr egozentrischen sicht- und verhaltensweisen des protagonisten führen auf dauer in die katastrophe.

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Rückkehr nach Reims

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das buch war vor ein paar jahren eine sensation in deutschland, dabei wurde es erst sieben jahre nach erscheinen in frankreich ins deutsche übersetzt. in der autobiographischen erzählung ist ein intellektueller auf der suche nach seiner vergangenheit im arbeitermillieu. seine homosexualität war ursache und wirkung, der bruch mit der familie notwendige flucht. wie Knausgård geht er dabei schonungslos mit sich und seiner vergangenheit um und deutet und analysiert. dabei fällt vor allem eines auf: seine geschichte ist auch die geschichte der gesellschaft frankreichs der letzten jahrzehnte. so wie er sich auf die reise gemacht hat in die pariser gesellschaft des geistes, ist die arbeiterschaft von traditionell links nach rechts gekippt. der soziologie hat vielerlei erklärungen dafür, eine schlüssige liefert er nicht. das buch war vor den gelbwesten-protesten, die sind nach der lektüre ein bisschen verständlicher. in diesem zusammenhang sei auch Virginie Despentes empfohlen.

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Natürliche Mängel

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Nach Die Versteigerung von No. 49 mein zweiter Pynchon (an Gravity’s Rainbow lese ich noch, aber es ist nicht so eingängig). Es geht um die Zeit Ende der Sechziger in Kalifornien, Drogen, Musik und allerlei Kram, der damals aktuell war. Das Buch wurde vor zehn Jahren veröffentlicht, also mit großem zeitlichen Abstand. Das macht es für den Leser etwas einfacher, da damalige Entwicklungen in den Kinderschuhen steckten, die heute groß sin – bspw. wird mehrmals das Arpanet erklärt und benutzt, ein Vorläufer des Internets. Das ganze liest sich wie ein Film, eine Mischung aus Jacky Brown, Fear and Loathing in Las Vegas und Better Call Saul. Es geht um einen Privatdetektiv, der viel kifft und von einer absurden Situation in die nächste stolpert. Unzählige Figuren tauchen auf und verschwinden wieder, die Story ist verworren und Logik sollte man woanders suchen. Nichtsdestotrotz sollte man es nüchtern lesen, da die Dialoge und Gedanken großartig sind. Vermutlich ist viel bei der deutschen Übersetzung verloren gegangen, aber es bleibt genug Komik und Verdrehtheit übrig. Das Buch wurde 2014 verfilmt. Es gibt auf Spotify eine Playlist mit den Liedern, die im Buch erwähnt werden.

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Lieben (Min kamp #2)

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Wie Teil 1 bereits eine anstrengende Reise durch die Gefühlswelt des Autors. Dieser Blick nach innen ist keine schöne Literatur und streckenweise ätzend. Es geht um Trennung und neue Liebe, Zusammenleben und vertrocknende Leidenschaft. Das ist kein wildes Rock’n’Roll-Leben, hier wird Alltag beschrieben. Das aber macht das Buchprojekt so faszinierend. Es gibt keine spektakulären Morde, keine Helden, keine Erfolgsstorys. Es gibt einen Autor, Vater, Ehemann, der mit sich ringt und dieses Ringen niedergeschrieben hat. Schonungslos. Man braucht ein bisschen Zeit, die über 800 Seiten lesen sich nicht an einem Stück.

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Der Mann schläft

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eine unglückliche frau findet einen mann, wird ein bisschen un-unglücklicher, der mann stirbt. in zwei erzählsträngen erzählte erzählung. düster bis flapsig geschrieben, mit vielen traurigen momenten, trockenem sarkasmus und bitterem humor. ist es ein gemälde über paarbeziehungen, eine gesellschaftskritik, eine erzählung über depressionen? all‘ das und doch lässt es sich nicht kategorisieren. unbedingt mehr von frau berg lesen müssen.

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Sterben (Min kamp #1)

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aus skandinavien (hier: norwegen) müssen also nicht nur düstere krimithriller kommen. vorliegendes buch ist eine sechshundertseitige reise in die vergangenheit des autors. immer aus heutiger sicht erzählt mit zahlreichen zeitsprüngen. es geht um seinen vater, der sich verändert hat, um ihr verhältnis im innen und im außen, es ist kompliziert. der tod des vaters kündigt sich früh an. situationen, kindheitserinnerungen, träume und wünsche und ängste werden beschrieben und analysiert. manchmal erschütternd, tragisch, oft auch komisch, eher lakonisch. tief und sprachlich anspruchsvoll geschrieben, sodass ich die anderen bücher dieses autobiographischen projekts auch lesen muss.

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Hinter der Blechwand

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wahnsinnig trostlose story über zwei kerle, die sich in den umbruchjahren zwischen mauerfall und jetzt mit schmuggel und handel übers wasser gehalten haben. die globalisierung frisst sich auch in die letzten dörfer ost- und südosteuropas. chinesen importieren billiger als die beiden helden und sie geraten in die hände eines menschenhändlers. sie sind auf den straßen unterwegs zwischen polen, slowakei, ungarn und rumänien. mit einem alten lieferwagen, der erstaunlicherweise das ganze buch durchhält. erdrückend erzählt der roman ein primitives leben, wirft mit rassistischen ressentiments nur so um sich. in zahlreichen rückblenden wird die zeit kurz nach 1989 glorifiziert, als die grenzen zwar offen waren, aber schmuggel gefährlich und höchst lukrativ. wer einmal auf einem markt in osteuropa in den neunzigern stand, kennt dieses gefühl. windige kerle wittern jede gelegenheit, es gibt alles zu kaufen und nie fragt einer, woher es stammt.

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Alles, alles über Deutschland (Hörbuch)

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boehmernann Die Neuausgabe des Klassikers von 2009 ist auch nicht viel besser geworden. Der blasse Junge versucht sich zynisch und pseudointellektuell an Themen, die er noch nicht vollständig durchdrungen hat. Plattitüden und Vorurteile geben sich die Klinke in die Hand. Dabei versteht es Herr Bommselmann auch jeden noch so flachen Witz zu versemmeln. Die Aktualisierungen jetzt, sechs Jahre nach Erscheinen der ersten Auflage, sind auch kein Glanzstück des teutonischen Humors. Offenbar wird hier versucht, auf Kosten des kritischen Lesers, Geld zu machen mit alten Kalauern. Das funktioniert leider nicht, da sich sowohl Rezipient als auch Autor inzwischen weiterentwickelt haben.

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Da war mal was…

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2014-02-04 15.31.03 erinnerungen von ganz verschiedenen typen und mädels an die zeit vor dem mauerfall, an ihre kindheit und jugend, an früher eben. und so verschieden wie die menschen sind auch die erinnerungen an das eine, längst untergangene land. im typischen flix-stil gezeichnet und wunderbar ironisch-komisch, aber ehrlich.

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Schneller als der Tod

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2013-08-29 07.55.49 ein buch wie auf drogen: ein ehemaliger gangster erzählt sein leben, nun arbeitet er – dank des zeugenschutzprogramms – als arzt im krankenhaus. nur leider holt ihn seine vergangenheit in form eines patienten und ehemaligen kollegen wieder ein. diese kombination aus dr. house auf speed und epischer mafiaromantik macht das buch wahnsinnig spannend, zudem ist es noch toll geschrieben und übersetzt.

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AQUA tm (Hörbuch)

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was für ein schwachsinn: die welt ist in der hand pöser konzerne, die gesellschaft ist gespalten in arm und reich und die natur ist extrem kaputt wehrt sich mit katastrophen. in afrika wird wasser entdeckt und die lokale regierung wird vom konzernchef erpresst. dazu allerlei technikzeugs, das aber tendenziell unsinnig oder von schurken eingesetzt wird. dazwischen voodoo-zauber und die unvermeidlichen sex-szenen, die eher peinlich als alles andere sind. schönes thema, die kommerzialisierung von wasser, grandios schlecht umgesetzt. ein trostpunkt für das nazi-outlaw-camp im ruhrgebiet. [xrr rating=1/7]

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Berliner Macht

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2013-03-09 22.17.45 Ein Krimi, der im Wedding spielt? Her damit. Und tatsächlich, die Orte sind authentisch und die Figuren wohnen da, wo wir sie vermuten: Die betuchten Anwälte und Politiker im Prenzlauer Berg, die Verlierer im Wedding und der Kommissar in Charlottenburg. Das sind Klischees, klar. Aber aus eigener Erfahrung wissen wir: Menschen leben gerne in Klischees und so wirken die Charaktere realistisch, plastisch und man hat sie gerne, oder (wie im Fall des schmierigen Politikers) man hasst sie. Eine Menge Themen werden angeschnitten: Die Gentrifizierung droht den Wedding zu überrollen, junge Neu-Berliner verrichten unbezahlte Praktika, der Sozialstaat vernachlässigt die Abgehangenen. Dazu der Kommissar, der, im Gegensatz zu seinen Tatort-Kollegen, nicht gleich zur Waffe greift und auch mal Papierkram erledigen muss. Seine Kollegin, die zwischen Job und Kindergarten-Schließzeit hetzt. Und ein Berlinbild, das weniger von hippen Szenemenschen als vom tristen Alltag erzählt. Sehr schön zu lesen, Kommissar Robert Mannheim erinnert ein wenig an Eberhard Mock aus den Romanen von Marek Krajewski. Die Auflösung der Morde war mir dann ein wenig zu banal, doch keine wilde Verschwörungstherie bis in die obersten Regierungskreise, wie der Titel vermuten lässt, eher menschliches Versagen. Aber wahrscheinlich ist das realistischer. Auch lesenswert: Das Blog mord & totschlag des Autors.