Filmkritik: The End of the Tour (2015)

zwei schriftsteller treffen sich, touren und reden zusammen. gucken fernsehen, trinken, haben spaß und hassen sich. basiert auf einer wahren geschichte. lipsky sollte damals den gerade berühmt gewordenen wallace interviewen. der film basiert auf den aufzeichnungen (( David Lipsky: Although of Course You End Up Becoming Yourself (2010))). was am anfang hölzern wirkt, soll wohl die unsicherheiten beider protagonisten darstellen, die dialoge werden tiefer, aber an die romane reichen sie nicht heran. es ist ein tanz, den sie aufführen, eine theatervorstellung. sie spielen wie sie sich spielen. ihre gespräche mäandern sich durch die biographie, die unbedingt nachzulesen gilt, um drogen, den ruhm. das krankheitsbild depression wird nur angerissen und nie greifbar. auch wenn die schauspieler ambitioniert ihre rolle spielen, es bleiben rollen, man hätte so viel mehr machen können aus diesem film, seitenhiebe auf die figuren, szenen aus den romanen, aber nein. es bleibt ein an der oberfläche kratzender road movie durch den mittelwesten.

Filmkritik: Captain Fantastic (2016)

leider etwas zu vorhersagbares märchen über eine aussteigerfamilie, die alles moderne ablehnt, aber unbeabsichtigt durch den tod der mutter mit dieser moderne konfrontiert wird. was nach cultureclash und amüsant klingt, ist leider traurig und wenig substanziell. die kapitalismuskritik darf der/die achtjährige vortragen, sodass das publikum schmunzelt, danach folgt nur dezente konsumkritik und scherze über fettleibigkeit. am ende bleiben schöne landschaftsaufnahmen, musik und die selbstbestätigung der amerikaner auf ihr selbstbestimmungsrecht. es hätte ein kritischer film werden können, so ist es nur seichte unterhaltung.

Filmkritik: Toni Erdmann (2016)

“Toni Erdmann” von Marden Ade © Komplizen Film

dieser film überzeugt vor allem in der eigenen rezeption, wie woanders bereits dargelegt: jeder interpretiert seine eigene wirklichkeit in die beiden hauptfiguren. an themen mangelt es ja wahrlich nicht, arbeit, frauen in karriere, globalisierung, familie, entfremdung, sehnsucht. den beiden schauspielern gelingt es auf scheinbar natürliche weise, nicht zu schauspielern, sondern echte gefühle, ängste, sorgen und glück zu transportieren. eine großartige leistung, von beiden. und das auf gut 180 minuten. es gibt weder effekte, musik, noch großes drama. der plot spielt im kleinen und behandelt doch die großen themen unserer zeit.
zurück bleibt ein nachdenklicher zuschauer, der sich plötzlich alt fühlt und ein scherzgebiss braucht.

https://www.heftfilme.com/dvd/toni-erdmann/

Filmkritik: Sausage Party (2016)

ein animationsfilm für erwachsene, der sich bei eingehender betrachtung als pubertierende variation eines einzigen wunsches heraus stellt: die verzehrende sehnsucht nach dem ersten sex. der ganze film ist getränkt mit schlechtem pubertätswitz und prolligen humor. dabei ist es unter vielem krach eine geschichte des aufbegehrens und der verweigerung: die lebensmittel verweigern sich ihrer natürlichen bestimmung und begehren auf. es gibt eine große vielfalt an besprochenen themen: nahostkonflikt, religionskritik, medienkritik, minderheiten, usw. usf. alles sehr breit und intelligent, es geht nur leider im großen gebrüll unter. ich bezweifle, dass bei der synchronisation viel sprachwitz verloren gegangen ist. es genügt den trailer zu sehen.

Filmkritik: Er ist wieder da (2015)

Der Film zum Buch ist so zu ziemlich das unlustigste, was ich in den letzten Monaten gesehen habe. Und ich ahne auch schon den Grund, bei wikipedia heißt es nämlich:

“Im Buch erschießt Hitler keinen Hund.”

Was im Buch und Hörbuch wunderbar funktioniert hat, weil da genug Zeit und Raum war, geht hier leider total schief: Die Balance zwischen bitterem Humor und subtiler Gesellschafts- bzw. Medienkritik. Wir begleiten Hitlers erneute Machtergreifung lediglich medial, eine Auseinandersetzung jenseits des Öffentlichen findet nicht statt. Dafür viel brachialer Humor und Gejohle, Cameo-Auftritte, Seitenhiebe und Schenkelklopfer. Am befremdlichsten noch sind die pseudorealen Straßeninterviews. Es stößt einen ab.

Einen Metaschraubendreh weiter jedoch meine Lieblingsstelle: Im Hörbuch (gelesen von Christoph Maria Herbst) verwechselt der Kisoskbesitzer Hitler mit dem Schauspieler Michael Kessler in Switch reloaded, der dort eine Hitlerparodie (“Obersalzberg”) im Setting von Stromberg gibt. Da Stromberg von Herbst gespielt wird , ist das schon gut (haha). Im Film tritt dann Kessler als Moderator auf, es wird auch ein Ausschnitt aus Switch reloaded zitiert. – Findet das außer mir noch jemand lustig?