Podcast-Tipp: Grenzgänger

Grenzgänger – die Geschichte des Berlin-Sounds
eine endlos lange (18 folgen!), aber sehr hörenswerte geschichte der musikalischen geschichte berlins von den achtzigern bis heute. eingerahmt in die lebensgeschichte von mark reeder. wilde zeiten, grenzstadt, so36, punk, techno, diesdas. hat man alles gelesen, gehört, jedoch noch nicht in dieser dichte. zu wort kommen die protagonisten und wegbegleiter, schön schön.
https://www.radioeins.de/archiv/podcast/grenzgaenger.html

Torstraße 1

wieviel deutsche geschichte kann bitte in einem gebäude stecken? gebaut als kaufhaus jonaß 1929, diente es der Nazipartei, dann den Sozialisten, und nun ist es ein privatclub für reiche schnösel. hier gibt es historische photos zu kieken, meins stammt aus anfang der nullerjahre, da stand es schon lange leer.

podcast-empfehlung

spannende podcastfolge über die geschichte der produktion von ORWO-filmmaterial in wolfen. begonnen hatte alles schon lange vor dem krieg mit AGFA. Ehrhard Finger erzählt im gespräch mit Erik Schlicksbier von seiner damaligen arbeit im werk und seinem engagement im Industrie- und Filmmuseum Wolfen.

the beetroot diaries

ein paar tage vor weihnachten kamen ihr erste zweifel an der idee. dabei klang alles so einfach wie logisch: sie war eingeladen bei ihrer freundin; es konnte ja niemand verreisen. und bevor sie nach diesem verrückten jahr auch noch weihnachten alleine verbrachte, wollten sie sich treffen, zusammen essen und den abend verbringen. jeder sollte was kochen und mitbringen. neben einem kuchen wollte sie barszcz czerwony mitbringen, die polnische borschtsch-variante. das rezept ist nicht komplex und sie hatte das auch schon gemacht, kein ding. was ihr nun aber den kopf zerbrach, war der transport. sollte sie sich mit dem kopf in ein taxi setzen oder doch lieber die sbahn nehmen? sind töpfe überhaupt wasserdicht und was, wenn nicht? andere gefäße hatte sie nicht, die tupperdosen waren zu klein und zu wenige. einmachgläser schmiss sie immer gleich weg. verdammter ordnungswahn. egal, erstmal einkaufen. rinderbrust, speck, rote beete, bisschen gewürze und gemüse. so ging es vom supermarkt nach hause, der lauch lugte aus dem rucksack und schrie den passanten zu: seht her, hier wird frisch gekocht – weicht zur seite mit euren instantnudeln und dönern.

ein paar stunden später, es blubbelte und dampfte und roch aus der küche, bekam sie langsam panik. dass sie sich beim rote beete-schneiden in den finger geschnitten hatte – geschenkt. aber der finger mit dem pflaster störte doch arg und brannte auch ein bisschen. nur nicht aufgeben jetzt, dachte sie noch, als es an der tür läutete. die klingel war laut und durchdringend und ungewohnt, schließlich bekam sie fast nie besuch und pakete noch seltener. ja, fragte sie zögernd in der gegensprechanlage. polizei, können wir uns kurz mit ihnen unterhalten, knarzte es blechern zurück. ja-ha, sagt sie und drückte. die gedanken rasten durch ihren kopf, mit der polizei hatte sie noch nie etwas zu tun gehabt.

keuchend schleppte sich ein uniformierter mann die treppen hoch, sie konnte ihn eher hören als sehen und als er fast vor ihr stand, musste er erstmal wieder zu atem kommen. dass sie aber auch ganz oben wohnen müssen, drang es plötzlich aus ihm heraus. er stellte sich vor und kam gleich zum wesentlichen. ob ihr letzte nacht etwas aufgefallen sei, geräusche, verdächtige personen im haus, sowas. sie überlegte und schüttelte langsam den kopf. was ist den passiert, wollte sie fragen, doch der grimmige polizist guckte sie durchdringend an. nein, eigentlich nicht. mhm. so gegen zehn uhr abends? nein. dann schwiegen sie beide und ihre gedanken schweiften ab. in wolken drangen immer wieder gerüche aus der küche, die suppe kochte vor sich hin. dann begann der polizist zu erzählen, sie seien auf der suche nach einbrechern, die gestern abend im vorderhaus eingebrochen sind und es noch in weiteren wohnungen versucht haben. oh gott, entfuhr es ihr. wie in so einem fernsehfilm, schlug sich auch die hand vor den mund. ob das ein angeborener reflex ist oder erlernt, dachte sie noch. dann reichte ihr der polizist eine karte und meinte, sie solle sich melden wenn ihr noch was einfiele oder sie was beobachtet.

als sie hinter ihm die tür schloss, musste sie sich setzen und starrte gerade aus. ok, großstadt, verbrecher, davon hatte sie gehört, aber im eigenen haus? sowas passiert doch immer nur anderen oder in den nachrichten. jetzt wurde sie unruhig. überlegte fieberhaft, ob ihr nicht doch was aufgefallen sei gestern. sie ist früh ins bett gegangen und hatte geschlafen, aufgewacht war sie jedenfalls nicht.

später machte sie sich fertig und ging raus, die ganze zeit grübelnd und zweifelnd und in gedanken ganz woanders. die tür doppelt abgeschlossen. mechanisch lief sie zur sbahn, ein eisiger wind zog durch die häuserschluchten, die straßen waren leerer als sonst, aus vielen fenstern drang licht. auch die sbahn war nicht voll, ein paar leute nur, saßen vereinzelt in den sitzreihen. bei ihrer freundin ein großes hallo und wie gehts dir, komm doch rein und wo ist eigentlich die suppe. ach mist, die hatte sie vergessen. zum glück den ofen ausgemacht, da war sie sich sicher. aber eben vergessen. naja, wird schon gehen. sie feierten zusammen, das essen reichte für zwei, kein problem, es gab reichlich. sie redeten viel und lachten auch, aber es lag auch eine schwere in der luft. der einbruch, obwohl nicht erlebt, lag über ihnen und die gedanken und gespräche kreisten immer wieder darum. sie bat, heute hier schlafen zu können, das hatte sie früher immer gemacht, als sie noch zusammen zu partys gingen. naklar kein problem, hier sofa, handtuch, bettwäsche, gute nacht. das essen und der weißwein ließen sie schnell und traumlos einschlafen.

am nächsten morgen am frühstückstisch war die stimmung besser, die gedanken leichter. der weihnachtsstress war vorbei, es lagen ein paar freie tage vor ihnen, es gab nichts zu tun und das leben war leicht. gegen mittag verabschiedete sie sich und wollte nach hause, alleine sein und rumgammeln, was gab es besseres.

vor ihrer wohnungstür der schreck, die tür sah schrecklich aus und lehnte nur halb im rahmen, sie öffnete lagsam und lugte hinein. nichts, alles still. auf zehenspitzen ging sie durch ihre wohnung, die nun nicht mehr die ihre war, sondern ihr merkwürdig fremd vorkam. aber sie fand keine durchwühlten sachen, keine heraus gerissenen schubladen, keine verstreuten papiere. das lämpchen am laptop blinkte noch und auch sonst schien nichts zu fehlen. nur in der küche standen zwei schmutzige schüsseln mit löffeln auf dem tisch, dazwischen der leere topf.